Der Streit um die Rechtsgültigkeit der buddhistischen Gemeindegrenze (sima) von Balapitiya in Sri Lanka im 19. Jh.
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Der Disput über die rechtliche Gültigkeit der buddhistischen Gemeindegrenze von Balapitiya hat sich aktiv von 1845 bis 1880 hingezogen und zur Spaltung des Amarapuranikāya in zwei Untergruppen, den Mūlavaṃsa und den Saddhammavaṃsa geführt. In der Sekundärliteratur wurde vermutet, daß dieser Disput vornehmlich auf Kastenunterschiedene zwischen den beteiligten Mönche oder auf die Ambitionen der Laienfamilien, die die Hauptunterstützer der beiden Mönchsgemeinde gewesen sind, zurückzuführen sei. Keiner der Autoren hat sich bislang mit den Argumenten auseinandergesetzt, die in in den im Rahmen des Disputs verfassten Texten, Briefen usw. vorgetragen wurden. Wie die Untersuchung dieser Texte zeigt, sind die vorgetragenen Argumente immer rechtlicher Natur, d.h. sie beziehen sich auf die Sīmā-Regeln. Auch wenn die Kastenzugehörigkeit der beteiligten Mönche zu den Animositäten beigetragen haben mag und möglicherweise auch die Beteiligung der Laien (dies ist am schwierigsten zu beurteilen), waren es die rechtlichen Regelungen zur Gemeindegrenze, die im Zentrum der Diskussion standen. Die Mönche der Frühzeit, die sich als Anführer der beiden Gruppen gegenüberstanden, waren beides Vinaya-Experten. Daher mag auch eine gewisse Rivalität zwischen diesen beiden zu der Zuspitzung des Konflikts beigetragen haben. Eine zentrale Rolle spielte jedoch die Autorität, die man den für die jeweiligen Argumente herangezogenen Quellen zusprach. Während das ursprüngliche Rechtsbuch, der Vinaya, kanonisch ist, und damit für alle Gruppierungen als autoritativ galt, waren alle späteren Werke Kommentare verschiedener Autoren. Indem man dem ein oder anderen dieser Texte die Autorität absprach, konnte man die auf den entsprechenden Text gestützten Argumente zurückweisen. Auffällig ist aber, daß bei einer Vielzahl von Argumenten unterschiedliche Kategorien von buddhistischen Ordensgrenzen vermischt wurden, möglicherweise auch aus einer ungenügenden Kenntnis der im Lauf der Zeit kompliziert gewordenen Rechtsregeln heraus. Dies schlug sich insbesondere darin nieder, daß man für die eine Sorte von Ordensgrenzen im Vinaya formulierte Regelungen auf andere Arten von Ordensgrenzen übertrug, für die es im Vinaya keine entsprechenden Ausführungen gab, sondern erst im Kommentar oder in den Subkommentaren. Ein besondere Rolle unter den Subkommentaren kommt dabei der südindischen Vimativinodanīṭīkā (a. 13. Jh.) zu, die besonders häufig herangezogen wird, deren Ausführungen aber auch zu zahlreichen Mißverständnissen geführt haben. Durch die Publikation der Texte und Übersetzungen der im Rahmen des Sīmā-Streits verfassten Texte wird es möglich werden, die Argumentationen nachzuvollziehen und das Gewicht der unterschiedlichen Auslegungen für den Disput zu beurteilen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Translocal Debates and Legal Hermeneutics. Early Pali Vinaya Texts in the Adjudication of Sīmā-Procedures c. 1200–1900 CE, Buddhism, Law & Society 2 (2016–2017), 103–158
Petra Kieffer-Pülz
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Die Anwendung der vier wichtigen Richtlinien (mahāpadesa) bei Rechtsstreitigkeiten, 33. Deutscher Orientalistentag, Jena, 21.09.2017
Petra Kieffer-Pülz
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Local Disputes and Transnational Legal Decisions: The Globalization of Legal Decision-Making Regarding Local Disputes of Buddhist Communities, XVIIIth Conference of the International Association of Buddhist Studies, Toronto, 20.–25.8.2017
Petra Kieffer-Pülz
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Sīmāgaṇṭhipada, Sīmāvicāraṇa or Untitled? The Difficulty with Titles of Pāli Texts, in: Mahācārya De. Ḍhī Paraṇavitāna Abhinandanasaṃgrahaya. K. D. Paranavitana Felicitation Volume, ed. Vini Vitharana, Prasad Fonseka. Colombo: S. Godage and Brothers, 2018, 357–369
Petra Kieffer-Pülz
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A Manual of the Adornment of the Monastic Boundary: Vācissara’s Sīmālaṅkārasaṅgaha, Edition and Annotated Translation. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2021 (Veröffentlichungen der Fächergruppenkommission für Außereuropäische Sprachen und Kulturen, 8), XVI, 171 S.
Petra Kieffer-Pülz
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Flawed or Deliberately Altered Readings? Two Quotations from the Vajirabuddhiṭīkā in the Sīmālakkhaṇadīpanī, in: Sīmās: Foundations of Buddhist Religion, ed. Jason A. Carbine, Erik W. Davis, Honololu: University of Hawai’i Press 2022, 326–338
Petra Kieffer-Pülz
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The emotional dimensions of monastic legal judgment: the case of the Balapiṭiya sīmā, Journée du monde indien 2022–mardi 7 juin 2022. Maison de la Recherche de Paris 3 – La Sorbonne Nouvelle
Petra Kieffer-Pülz
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Sīmā Treatises with a Focus on Illustrated Manuscripts, in: Proceedings of the Third International Pali Studies Week (Sorbonne, École pratique des hautes études, Paris, 2018), ed. Nalini Balbir and Claudio Cicuzza. Bangkok 2023 (Materials for the Study of the Tripiṭaka)
Petra Kieffer-Pülz
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The Dispute about the Validity of the Monastic Boundary (sīmā) of Balapiṭiya in 19th c. Sri Lanka, I: The First Delegation of Sinhalese Monks of the Amarapuranikāya to Burma. Edition and Translation. Halle: Universitätsverlag Halle-Wittenberg 2023 (Studia Indologica Universitatis Halensis. Vol. 26) (1857–1858) and the Burmese Saṅgharāja’s Judgment (1858)
Petra Kieffer-Pülz
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The Sāsanavaṃsa’s dates of the Sinhalese delegations that traveled to Burma because of the dispute about the monastic boundary (sīmā) of Balapiṭiya, in: Śāntamatiḥ: Manuscripts for Life — Essays in Memory of Seishi Karashima, ed. N. Kudo. Tokyo: The International Research Institute for Advanced Buddhology, Soka University, 2023 (März) (Bibliotheca Philologica et Philosophica Buddhica, XV) [19 S.]
Petra Kieffer-Pülz
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Vimalasāra’s Sāsanavaṃsadīpa on the dispute about the monastic boundary (sīmā) of Balapiṭiya, Annual Report of the International Researach Institute for Advanced Buddhology XXVI 2023 (März) [20 S.]
Petra Kieffer-Pülz
