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Untersuchung aktiver magmatischer und tektonischer Prozesse an ultralangsamen mittelozeanischen Rücken anhand ihrer Seismizität

Fachliche Zuordnung Physik des Erdkörpers
Förderung Förderung von 2006 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 25966553
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Meine Emmy Noether Arbeitsgruppe „MOVE“ (Mid-Ocean Volcanoes and Earthquakes) beschäftigt sich mit der Erdbebenaktivität an ultralangsam (<20 mm/y) öffnenden mittelozeanischen Rücken. Die Hauptvertreter ultralangsamer Rücken, das arktische Rückensystem und der Südwestindische Rücken, machen knapp 15% des globalen mittelozeanischen Rückensystems aus, sind wegen ihrer Lage im eisbedeckten arktischen Ozean und im stürmischen Südozean kaum untersucht. Dabei unterscheiden sich Morphologie und Geologie ultralangsamer Rücken grundsätzlich von allen schneller spreizenden Rücken und weisen darauf hin, dass die laufende Bildung neuer Ozeanlithosphäre hier anders funktioniert. Die Schmelzproduktion ist so gering, dass es gänzliche amagmatische Rückenabschnitte gibt, an denen Erdmantelgestein am Meeresboden ansteht. Magmatische Rückenabschnitte erhalten mehr Schmelze und markante Vulkanzentren können entstehen. Mit der vergleichenden Analyse der Erdbebenaktivität magmatischer und amagmatischer Rückensegmente leistete MOVE einen Beitrag, die aktiven Spreizungsprozesse an ultralangsamen Rücken besser zu verstehen. Eine der großen Herausforderung des Projekts lag in der Registrierung lokaler Erdbeben in diesen logistisch schwierig erreichbaren Seegebieten. Uns ist es gelungen, Mikroerdbeben mit seismischen Arrays auf driftendem Meereis im arktischen Ozean aufzuzeichnen und zwei Netzwerke von Ozeanbodenseismometern am Südwestindischen Rücken zu betreiben. Die Analyse der Erdbebendaten hat folgende Schlüsselergebnisse geliefert: Vulkanausbrüche an ultralangsamen Rücken können mit sehr starker Erdbebentätigkeit beginnen, wenn Magma durch die kalte Lithosphäre bricht und Störungen aktiviert. Auch explosiver Vulkanismus ist möglich, trotz Wassertiefen von mehr als 4000 m. Aktive Phasen können über mehr als 10 Jahre anhalten und Magma auch in benachbarte Rückenabschnitte speisen ausgehend von einem bis zu 8 km tiefen Schmelzreservoir unter einem Zentralvulkan. Neben der ersten Entdeckung einer solchen Magmakammer an ultralangsamen Rücken, konnten wir zwei Dike Intrusionen aufzeichnen, die zu wochenlangem Tiden-moduliertem seismischen Tremor führten, der vermutlich auf heftige hydrothermale Zirkulation getrieben von der Hitze der Intrusion hindeutet. Unter den magmatischen Rückenabschnitten ist die Lithosphäre wesentlich dünner als unter den amagmatischen Abschnitten, wo Erdbeben bis in 35 km Tiefe reichen und auf sehr kalte Lithosphäre hindeuten. Bislang waren nur Erdbeben bis in 15 km Tiefe von mittelozeanischen Rücken bekannt. Wir konnten erstmals nachweisen, dass die Lithosphärenunterseite eine starke Topographie aufweist. Entlang dieser Grenze können Schmelzen über große Distanzen zu den Vulkanen hinfließen. Eine solche Topographie war von Petrologen postuliert worden, um die ungleichmäßige Verteilung von Schmelzen an ultralangsamen Rücken zu erklären. In amagmatischen Regionen, wo Erdmantelgestein am Meeresboden ansteht, fehlen bis in 15 km Tiefe jegliche Erdbeben und die Lithosphäre verformt sich aseismisch. Im Kontakt mit Wasser bildet sich aus Peridotit das Gestein Serpentinit, dass sehr schwach ist und schon bei Serpentinitanteilen von 10% sich wie Schmierseife deformieren kann. Serpentinit ist bis zu Temperaturen von ca. 400°C stabil, genau die Tiefe, bis in die wir aseismisches Verhalten feststellen. Eine solch tiefreichende Serpentinisierung erklärt, warum amagmatische Segmente ultralangsamer Rücken auch in teleseismischen Distanzen als seismisch viel schwächer aktiv auffallen als magmatische Gebiete, genau umgekehrt, als an schneller spreizenden Rücken. Dies deutet darauf hin, dass der Serpentinisierung eine Schlüsselrolle in den Spreizungsprozessen ultralangsamer Rücken zukommt. Das Ausmaß der aseismischen Deformation deutet darauf hin, dass bis in ca. 15 km Tiefe Wasser durch die Lithosphäre zirkulieren kann und Serpentinisierung somit in viel größeren Tiefen als bislang angenommen vorkommen kann. Bei der Umwandlung von Peridotit zu Serpentinit werden Energie und Stoffe wie Methan und Wasserstoff freigesetzt, die eine Basis für Leben am Meeresboden bieten können, unabhängig von den Wärmequellen magmatischer Rückenabschnitte. Unsere Studie hat gezeigt, dass dieser Stoff- und Energieaustausch zwischen Ozean und Lithosphäre womöglich viel größere Bereiche erfassen kann, als bislang bekannt war.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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