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Energiedispersive Analyse randschichtnaher Eigenspannungs- und Mikrostrukturgradienten mittels konventioneller Laborröntgenquellen

Fachliche Zuordnung Mechanische Eigenschaften von metallischen Werkstoffen und ihre mikrostrukturellen Ursachen
Förderung Förderung von 2014 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 261596039
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Mit dem Forschungsvorhaben wurde das Ziel verfolgt, das Potenzial der energiedispersiven Röntgenbeugung für Anwendungen auf dem Gebiet der randschichtnahen Eigenspannungsanalyse weiter auszuschöpfen und Wege aufzuzeigen, wie sich unter Laborbedingungen mit eingeschränktem Photonenfluss Ergebnisse erreichen lassen, die bei gleichsam moderatem Messzeitaufwand einen hohen Informationsgehalt besitzen. In dem gemeinsamen Projekt der Arbeitsgruppen in Kassel und Berlin wurden Arbeitspakete mit verschiedenen Schwerpunkten definiert, die sorgfältig aufeinander abgestimmt waren sich gegenseitig ergänzt haben. So oblag der Kasseler Arbeitsgruppe die Herstellung definierter Probenzustände mit randnahen Eigenspannungsgradienten und ihrer vergleichenden Analyse mit konventionellen und energiedispersiven Verfahren, während in Berlin in stärkerem Maße methodische Fragestellungen im Vordergrund standen. Für die von beiden Arbeitsgruppen durchgeführte instrumentelle Charakterisierung des für die Experimente genutzten Labor-Setups war es zunächst nötig, die Zuverlässigkeit der verwendeten Detektorsysteme zu testen, erforderliche Intensitätskorrekturen zu beschreiben und die Zuordnung der gewonnenen Informationen zur Informationstiefe zu erarbeiten. Dazu wurden umfangreiche Messungen insbesondere an Pulverproben vorgenommen und die notwendigen Korrekturfunktionen ermittelt bzw. in die Auswerteprogramme implementiert. Weiterhin wurden vergleichende Messungen mit den in Kassel verwendeten Si(Li)-Halbleiterdetektoren sowie den in Berlin am Synchrotron genutzten Ge-Detektoren durchgeführt, um die Energieauflösung und die erreichbaren Intensitäten zu ermitteln, die Temperaturabhängigkeit der Messsignale zu erfassen, sowie um die optimalen Messparameter herauszufinden. Ferner konnte gezeigt werden, dass sich der primärseitige Photonenfluss auf der Probe durch Einsatz von Polykapillarlinsen bis zu Energien von ca. 30 keV erheblich steigern lässt. Schließlich wurde nachgewiesen, dass die Interferenzlinienbreite eine signifikante Abhängigkeit von der äquatorialen Ausrichtung der sekundärseitig zur Divergenzbegrenzung eingesetzten Sollerblenden zeigt. Im Mittelpunkt der methodischen Entwicklungen stand die Frage, wie das wichtigste Merkmal der energiedispersiven Beugung, unter festen, aber frei wählbaren Streuwinkeln vollständige Spektren zu liefern, zur optimalen Gewinnung von Datensätzen genutzt werden kann, die im Sinne der o.g. Zielsetzung zueinander komplementär sind und die selbstkonsistente Ermittlung von Eigenspannungstiefenverteilungen gestatten. Für die diesbezüglichen Überlegungen konnte auf ein von beiden Arbeitsgruppen in Berlin und Kassel gemeinsam entwickeltes 8-Kreis-Diffraktometer zurückgegriffen werden, das mit zwei unabhängig voneinander arbeitenden energiedispersiven Detektoren ausgerüstet ist und mit seinen vielfältigen Freiheitsgraden zur Probenorientierung die Realisierung beliebiger Beugungskonfigurationen ermöglicht. Anhand von Simulationsrechnungen konnte gezeigt werden, dass von den zahlreichen Möglichkeiten für die Positionierung der beiden Detektoren zueinander nur wenige den Anforderungen genügen, die hinsichtlich der Komplementarität an Datensätze zu stellen sind, die während eines Messzyklus simultan erfasst werden. Die ersten Messungen zur experimentellen Verifizierung erfolgten an einem unlegierten Stahl C100 mit feinstreifigem, perlitischem Gefüge, in den Eigenspannungen in Form definierter Gradienten durch eine Schleifbearbeitung eingebracht wurden. Dieser Zustand wurde konventionell durch winkeldispersive Messungen und schrittweisen elektrolytischen Abtrag charakterisiert. Dann folgten weitere Messungen unter Verwendung von Synchrotronstrahlung (Strahlungsquelle BESSY, Berlin) und Auswertungen der Daten mit unterschiedlichen Verfahren. Damit lag ein sehr gut charakterisierter Probenzustand vor, dessen randnaher Eigenspannungszustand anschließend mit energiedispersiven Verfahren vermessen wurde. Die Untersuchungen zeigten, dass die energiedispersiv/zerstörungsfrei ermittelten randnahen Eigenspannungsverteilungen grundsätzlich mit den winkeldispersiv/semizerstörend erhaltenen Verteilungen übereinstimmen. Unterschiede zwischen den semizerstörend bzw. auf zerstörungsfreiem Wege gewonnenen Tiefenprofilen lassen sich teilweise mit dem über einen gewissen Tiefenbereich mittelnden Charakter der Abtragsmethode erklären. Gleichwohl sind weitere und systematische Untersuchungen erforderlich, um die Übertragung der gewonnenen Erfahrungen auf die messtechnische Praxis zu ermöglichen. Weiterhin konnte am Beispiel der Zwillingsbildung in einer einachsig deformierten Probe der Mg-Basislegierung AZ 31 gezeigt werden, dass energiedispersiv gewonnene Informationen auch in hervorragender Weise geeignet sind, die auftretenden inhomogenen Deformationsverteilungen zu beschreiben und durch ergänzende strukturelle Informationen auch zu ihrer Bewertung beizutragen. Die im Rahmen dieses Vorhabens entwickelten Methoden sind Bestandteil einer gesamtheitlichen Strategie zur effizienten Erfassung und Auswertung energiedispersiver Beugungsspektren. Ihr unmittelbarer Anwendungs- und Praxisbezug ergibt sich aus den potenziellen Einsatzmöglichkeiten zur Lösung materialwissenschaftlicher Fragestellungen aus Industrie und Forschung unter weithin verfügbaren Laborbedingungen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Energiedispersive röntgenografische Analysen zur Strukturaufklärung einer inhomogen verformten AZ31-Magnesiumknetlegierung. Fortschritte in der Werkstoffprüfung – Werkstoffprüfung 2014, herausgeg. von W. Grellmann und H. Frenz, 4./5. Dez. 2014, ISBN: 978-3-9814516-8-9, S. 329–334
    A. Liehr, K. Anten, B. Scholtes
  • Energy-Dispersive Residual Stress Analysis Under Laboratory Conditions: Concept for a New Type of Diffractometer. Advanced Materials Research 996 (2014), S. 192 – 196
    A. Liehr, M. Klaus, W. Zinn, Ch. Genzel, B. Scholtes
    (Siehe online unter https://doi.org/10.4028/www.scientific.net/AMR.996.192)
  • Energy Resolved Residual Stress Analysis with Laboratory X-Ray Sources. HTM Journal of Heat Treatment and Materials 72 (2017), S. 115–121
    A. Liehr, W. Zinn, S. Degener, B. Scholtes, T. Niendorf, Ch. Genzel
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3139/105.110316)
  • Analysis of multiaxial near-surface residual stress fields by energy- and angle-dispersive X-ray diffraction: Semi- versus non-destructive techniques, J. Materials Performance and Characterization, 7 (2018), p. 465-487
    M. Meixner, M. Klaus, W. Zinn, D. Apel, A. Liehr, Ch. Genzel, B. Scholtes,
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1520/MPC20170135)
  • Residual stress analysis of energy-dispersive diffraction data using a twodetector setup: Experimental Implementation. Nucl. Inst. and Methods in Physics Research A 877 (2018), S. 56 – 64
    D. Apel, M. Meixner, A. Liehr, M. Klaus, S. Degener, G. Wagner, Chr. Franz, W. Zinn, Ch. Genzel, B. Scholtes
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.nima.2017.09.006)
  • Residual stress analysis of energy-dispersive diffraction data using a twodetector setup: Theoretical concept. Nucl. Inst. and Methods in Physics Research A 877 (2018), S. 24 – 33
    D. Apel, M. Meixner, A. Liehr, M. Klaus, S. Degener, G. Wagner, Chr. Franz, W. Zinn, Ch. Genzel, B. Scholtes
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3389/fpsyg.2015.01213)
 
 

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