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Ungleiche Opfer: Anerkennungsprozesse nach genozidaler Massengewalt. Deutschland, Ruanda und Kambodscha im Vergleich

Antragstellerin Dr. Christina Ullrich
Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2014 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 261785475
 
Deutschland, Ruanda und Kambodscha, so diachron und unterschiedlich im Einzelnen diese drei Fälle genozidaler Gewalt sind, so weisen ihre Nachkriegsentwicklungen doch eine zentrale Gemeinsamkeit auf: Menschen, die verfolgt worden waren, galten nach der Gewalt nicht automatisch als Opfer. Vielmehr wurde und wird Opferschaft im jeweiligen situativen Kontext auf internationaler und innergesellschaftlicher Ebene Gruppen durch eine Vielzahl von Akteuren zugeschrieben oder verweigert. Diese Zuschreibung geht einher mit Anerkennung von Opfergruppen in Transitionsphasen als diskursives, dynamisches Geschehen, die der zentrale Gegenstand des geplanten Projektes ist. Gefragt werden soll insbesondere danach, wie und unter welchen Bedingungen Zuschreibung und Verweigerung von Opferschaft im intentionalen, diskursiven Kontext von Akteuren auf internationaler und innergesellschaftlicher Ebene wirkmächtig werden. Welche auslösenden, dynamisierenden, retardierenden oder auch blockierenden Faktoren lassen sich feststellen? Welche Mechanismen führen zu Anerkennung von Opfergruppen? Und schließlich: Welche Deutungs-, Handlungsmacht und Rolle kommt Opfergruppen selbst bei ihrer Anerkennung in Transitional Justice-Prozessen tatsächlich zu? Methodisch wird ein internationaler und diachroner Vergleich der stark juristisch geprägten Aufarbeitungsphasen der Fälle Deutschland, Ruanda und Kambodscha gewählt. Gerade diese drei Beispiele, die wichtige Entwicklungsphasen eines Verrechtlichungsprozesses im 20. und 21. Jahrhundert im Umgang mit genozidalen Verbrechen und ihren Opfern markieren, provozieren die für das Projekt erkenntnisleitende Hypothese, dass seit 1945 juristische Zuschreibungen und damit verbundene globale Vorstellungen von Opferschaft bei der Frage nach Anerkennung eine zunehmend dominante, wenn nicht gar hegemoniale Rolle spielen. Daran anknüpfend ist zu fragen, wie sich rechtlich-normative und gesellschaftliche Anerkennung von Opferschaft, Opfer-Täter-Dichotomien, Deutungen des Vergangenen und Narrative zueinander verhalten. Das geplante Projekt greift Forschungsentwicklungen aus verschiedenen Disziplinen und Forschungskontexten auf, um die genannten Fragen zu beantworten und Aussagen über die Mechanismen und Dynamiken von Opferanerkennung nach genozidaler Massengewalt treffen zu können. Die hieraus resultierende Komplexität des Vorhabens kann durch gezielte Fokussierungen bei der vergleichenden Perspektive, durch analytische Tiefenbohrungen bei ausgewählten Opfergruppen und definierte Fragenkataloge für die jeweiligen Fallbeispiele handhabbar gemacht werden. Schließlich hat das Projekt den Anspruch, die bisherige überwiegend rechts- und sozialwissenschaftlich geprägte Opferforschung um eine dezidiert geschichtswissenschaftliche Perspektive zu erweitern, sie damit auch historisch zu grundieren, und so zu neuen Erkenntnissen zu führen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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