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Ungleichheitsdeutungen und Gerechtigkeitsorientierungen in Deutschland

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2014 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 262185843
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Angesichts eines weitreichenden Gestaltwandels sozialer Ungleichheitsverhältnisse in den vergangenen Jahren sowie einer anhaltenden Vermarktlichung des deutschen Sozialstaats hat das Projekt untersucht, welche Formen sozialer Ungleichheit den Bürgern als drängend erscheinen, wie sie gegenwärtige sozialstrukturelle und sozialpolitische Veränderungen bewerten, welche Erwartungen sie an die Entwicklung ihres zukünftigen Lebensstandards haben und welche Folgen dies für ihre Gerechtigkeitsorientierungen und ihre Solidaritätsbereitschaft hat. In einem Mixed-Methods-Design wurden zunächst die alltagsweltlichen Wissensbestände der Angehörigen unterschiedlicher sozialer Schichten zur Wahrnehmung, Erklärung und Rechtfertigung sozialer Ungleichheit in Deutschland anhand von Gruppendiskussionen rekonstruiert. Auf dieser Basis wurden neue Items formuliert, die in einer repräsentativen CAPI- Befragung hinsichtlich ihrer Verbreitung und Reichweite untersucht wurden. Die empirischen Befunde zeigen, dass in den Augen der Bevölkerung eine zentrale Ungleichheitsproblematik in der wachsenden ökonomischen Polarisierung einerseits und der Verfestigung von Benachteiligung und Privilegierung andererseits besteht. Ungleichheit wird vor allem dann als problematisch empfunden, wenn sich materielle Lagen auseinanderentwickeln, die Mittelschicht schrumpft und wenn Menschen trotz Arbeit auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Befürchtungen eines sozialen Abstiegs prägen dabei in stärkerem Maße die Empfindungen unterer Sozialschichten als jene der breiten Mitte. Aufstiegsmöglichkeiten werden von den unteren Schichten zwar gesehen, aber als mit hohen Opfern verbunden wahrgenommen. Vor diesem Hintergrund findet sich in dieser Gruppe ein charakteristisches Selbstbild der Mäßigung und des planvollen Realismus, welches als Bewältigungsmuster latenter Unsicherheiten gedeutet werden kann. Wahrnehmungen blockierter Aufstiegsmöglichkeiten seitens benachteiligter Schichten schlagen sich zudem politisch in Form einer erhöhten Wahlabsicht für die AfD nieder. Schließlich wird eine anhaltend hohe Vermögenskonzentration in Deutschland von den Befragten kritisch bewertet und die Besteuerung von Vermögen insbesondere dann befürwortet, wenn es nicht selbst erarbeitet wurde. Insgesamt zeigen die Befunde, dass die mit der gegenwärtigen Ungleichheitsdynamik verbundene Polarisierung materieller Lebenslagen sowie das lebensweltliche Auseinanderdriften unterschiedlicher Sozialgruppen und die Entkoppelung der unteren Schichten wichtige Quellen des gesellschaftlichen Unbehagens an der Ungleichheit sind. Pointiert formuliert besteht das zentrale Ungleichheitsproblem in den Augen der Menschen weniger im kollektiven Abstieg, sondern eher im „Stillstand“ der unteren Schichten in benachteiligten Lagen und den damit verbundenen sozialen Spaltungen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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