Die Bedeutung kompositioneller, kontextueller und institutioneller Merkmale der Schulumwelt für die Gesundheit und das Wohlbefinden entlang der Schullaufbahn
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die schulische Lernumwelt stellt einen bedeutenden Sozialisationskontext für Heranwachsende dar. Bisherige Studien konnten zeigen, dass kontextuelle und kompositionelle Merkmale der Schule wichtige Determinanten der Schulleistung und des Selbstkonzeptes sind. Die Bedeutung solcher Charakteristika für die Gesundheit und das Wohlbefinden fand bisher kaum Berücksichtigung für Schülerinnen und Schüler in Deutschland. Über die Betrachtung individueller sozialer Determinanten hinaus stand daher die Analyse von Zusammenhängen der Schulumwelt durch intergenerationale Bildungsmobilität sowie kontextuelle und kompositionelle Merkmale der Klassen und Schulen – mit einem Schwerpunkt auf dem Schulklima – mit der Lebenszufriedenheit und der subjektiven Gesundheit von Schülerinnen und Schülern im Fokus des Projekts. Die Analysen basieren auf den Daten der Startkohorten 3 und 4 des Nationalen Bildungspanels (NEPS), welche Angaben von Schülerinnen und Schülern, Eltern, Lehrerinnen, und Schulleitungen umfassen. Zur ersten Welle umfasste Startkohorte 3 6.733 Schülerinnen und Schüler in 1.021 Klassen in 374 Schulen und Startkohorte 4 15.017 Schülerinnen und Schüler in 1.012 Klassen in 545 Schulen. Als abhängige Variable standen die subjektive Gesundheitseinschätzung und Lebenszufriedenheit der Schülerinnen und Schüler im Fokus. Als zentralen unabhängige Variable standen erstens individuelle soziale Determinanten, zweitens intergenerationale Bildungsmobilität, drittens individuelle, auf Klassen- oder Schulebene aggregierte, oder von Lehrkräften erhobene Angaben zu schulischen Leistungen, schulischem Wohlbefinden und des Klassenklimas, und viertens Angaben der Schulleitungen zur Zusammensetzung der Schülerschaft sowie strukturellen Merkmalen der Schule im Fokus. In den Analysen kamen lineare und binär-logistische (Mehrebenen-)Modelle zum Einsatz. Unsere Ergebnisse zeigten einen sozialen Gradienten in der Gesundheit, in der Lebenszufriedenheit und in den krankheitsbedingten Schulfehltagen zu Ungunsten von Schülerinnen und Schülern in schlechteren sozioökonomischen Positionen, wobei die besuchte Schulform den mit Abstand stärksten Prädiktor dieser Ungleichheiten darstellt. Die Betrachtung intergenerationaler Mobilitätsprozesse zeigte, dass Bildungsabstiege unabhängig vom Geschlecht, aber im auch Bildungsaufstiege von Mädchen mit deutlich höheren Risiken für eine schlechte Gesundheit und niedrige Lebenszufriedenheit assoziiert sind. Das subjektiv wahrgenommene Schulklima war eng mit Lebenszufriedenheit und der selbstberichteten Gesundheit assoziiert, jedoch indirekt und über das schulische Wohlbefinden vermittelt. Von den aggregierten Merkmalen des Klassenklimas zeigte eine höhere Kontrolle durch die Lehrkräfte im Unterricht negative Assoziationen mit der Lebenszufriedenheit. Weiterhin berichten Schüler, die in Schulklassen mit überdurchschnittlich hohem Anteil an ehrgeizigen Mitschülern unterrichtet werden, eine höhere Lebenszufriedenheit, jedoch eine niedrigere in Schulklassen, in denen Mitschüler durchschnittlich höhere Erwartungen an ihre Klassenkameraden hatten. Mit Blick auf die leistungsbezogene Komposition in der Schulklasse zeigten sich differenzielle Vulnerabilitäten in der Lebenszufriedenheit bei Kindern mit guten Schulleistungen, wenn diese in Schulklassen mit überdurchschnittlicher Schulleistung auf Klassen-Ebene unterrichtet wurden. Strukturelle bzw. physische Aspekte der Schulen und Klassen zeigten eine zu vernachlässigende bzw. untergeordnete Rolle für die Gesundheit oder Lebenszufriedenheit der Schulkinder. Deutliche Unterschiede in den Gesundheitsindikatoren sowie der Lebenszufriedenheit zeigten sich dagegen für institutionelle Merkmale, wie der besuchten Schulform. Publikumsmediale Verbreitung fand insbesondere die Publikation mit dem Titel „Klassenklima, schulisches Wohlbefinden und Gesundheit von Schülerinnen und Schülern in Deutschland: Ergebnisse des Nationalen Bildungspanels (NEPS)“ im Das Gesundheitswesen (2018). Der Thieme-Verlag veröffentlichte hierzu im Mai 2018 eine mit dem Titel „Wenn die Schule zur Belastung wird: Studie untersucht Zusammenhang zwischen Schulzufriedenheit und Gesundheit“. Des Weiteren fand ein Interview durch Prof. Dr. Katharina Rathmann mit DIE WELT zu diesem Beitrag statt. Auf dieser Basis erschien am 18.06.2018 ein Artikel in der Print-Ausgabe unter dem Titel „Was Schüler krank macht“ und am 19.06.2018 ein Artikel in der Online-Ausgabe unter dem „Wenn vermeintlich guter Unterricht Schulkinder krank macht“).
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2018). Die Bedeutung der intergenerationalen Bildungsmobilität für die Gesundheit und die Lebenszufriedenheit von Schülerinnen und Schülern in Deutschland. Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation 38(1): 80-99
Rathmann K, Herke M, Kuntz B, Lampert T, Loter KE, Moor I, Hurrelmann K, Richter M
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(2018). Klassenklima, schulisches Wohlbefinden und Gesundheit von Schülerinnen und Schülern in Deutschland: Ergebnisse des Nationalen Bildungspanels (NEPS). Gesundheitswesen, 80(4): 332-341
Rathmann K, Herke M, Hurrelmann K, Richter M
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(2018). Perceived class climate and school-aged children's life satisfaction: The role of the learning environment in classrooms. PLOS ONE 13(2): e0189335
Rathmann K, Herke M, Hurrelmann K, Richter M
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(2018). Perceived school climate, academic well-being and school-aged children’s self-rated health: a mediator analysis. European Journal of Public Health
Rathmann K, Herke M, Heilmann K, Kinnunen JM, Rimpelä A, Hurrelmann K and Richter M
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(2018). Soziale Determinanten der subjektiven Gesundheit, Lebenszufriedenheit und Schulfehltagen von Heranwachsenden in Deutschland. Erste Ergebnisse des Nationalen Bildungspanels (NEPS). Gesundheitswesen, 80(7): 613-620
Heilmann K, Bräsen J, Herke M, Richter M, Rathmann K
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Class-level school performance and life satisfaction: Differential sensitivity for low- and high-performing school-aged children. International Journal of Environmental Research and Public Health
Rathmann K, Herke M, Bilz L, Rimpelä A, Hurrelmann K, Richter M