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Prostitution in Tbilisi. Marginalisierung und Empowerment von Prostituierten in moralischen Diskursen und urbanen Praktiken im 20. und frühen 21. Jahrhundert
Antragsteller
Professor Dr. Guido Hausmann
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung
Förderung von 2015 bis 2019
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 240207984
Das NTP über Prostituierte und Prostitution in Tbilisi untersucht moralische Diskurse und Stadtraumproduktion durch urbane Praktiken und Vorstellungen in den beiden Zeitphasen von etwa 1900 bis in die 1920er Jahre sowie seit Ende der 1980er Jahre bis heute. Es handelt sich dabei um zwei Zeitperioden, die in Europa durch Diskurse und Politiken der Rekriminalisierung einerseits und Entkriminalisierung und Legalisierung der Prostitution andererseits gekennzeichnet sind. In Tbilisi setzt sich ein urban activism seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion dafür ein, die Rechte der wachsenden Zahl von Prostituierten zu schützen. Zu einer Entkriminalisierung und Legalisierung der in der Sowjetzeit verbotenen Prostitution ist es bisher nicht gekommen. Die historische Perspektive des Projekts ermöglicht es, die Bedingungen von Konjunkturen moralischer Diskurse sowie Kontinuitäten, historischen Wandel und spezifische Konstellationen der Techniken des Regierens, sozialer Mobilisierung und ethischer Subjektivierungen in ihren lokalen und regionalen Ausprägungen und Dynamiken näher zu erforschen. Für die aktuelle Debatte ist besonders die Analyse der Einflüsse globaler Diskurse auf Tbilisi von Bedeutung, die bisher vor allem auf die sozialen Kräfte wirken, die für eine Entkriminalisierung oder Legalisierung der Prostituierten eintreten. Dabei sind sowohl die Diskurse, die Prostituierte verteidigen als auch diejenigen, die sie herabsetzen und kriminalisieren, ethisch aufgeladen. Das beantrage NTP möchte sowohl Diskurse über und Praktiken gegenüber Prostituierten als auch von Prostituierten erforschen. Es kann so Erkenntnisse über die urbane soziale Ordnung und ihrer stadträumlichen Ausprägungen im historischen Wandel gewinnen.Tbilisi ist wie das im Vorgängerprojekt untersuchte Bukarest durch die sowjetische Ordnung geprägt, wenn auch anders, da es seit 1922 Bestandteil der Sowjetunion gewesen ist. Beide Städte sind auf der einen Seite durch eine Dominanz staatlicher Gewalt und staatlichen Handelns gegenüber der Bevölkerung als auch auf der anderen Seite durch ein verbreitetes negatives Verhältnis der Bevölkerung gegenüber dem Staat geprägt. Die postsowjetische Zeit ist in beiden Städten durch eine zunächst schwache Staatlichkeit gekennzeichnet, die erst in den 2000er Jahren nachhaltig gestärkt auftritt. Das NTP kann die Auswirkungen dieser Prägung auf die Herausbildung neuer Techniken des Regierens, sozialer Kreativität und Mobilisierung sowie ethischer Subjektivierungen vertiefend erforschen. Wichtige Forschungsfragen sind vor dem Hintergrund der Illegalität der Prostitution und der gesellschaftlichen Marginalität der Prostituierten: Wie bilden sich ein ethischer Diskurs und soziale Kreativität über ein weitgehend tabuisiertes Thema? Welche Auswirkungen hat die Illegalität der Prostitution auf institutionelle Arrangements? Wie wirkte sie sich auf Prozesse der Subjektivierung bei unterschiedlichen Akteursgruppen aus?
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen