Parapsychology on the crossroads of scientific research, social inquiry, and public media: A comparative study from an international and transnational perspective (1930s to 1980s)
Final Report Abstract
Im Mittelpunkt des Forschungsprojektes stand die Geschichte der deutschen Parapsychologie zwischen 1933 und 1998. Die Grenzwissenschaft war als nicht-hegemoniale Wissenschaftsdisziplin in diesem Zeitraum nur zeit- und teilweise anerkannt. Ihr epistemischer Status wurde in permanenter Kontroverse verhandelt und nie endgültig geklärt. Gleichwohl erfuhr das Fach unter ihrem wichtigsten Repräsentanten Hans Bender nach 1945 einen beachtlichen Legitimationsgewinn. Dieser schlug sich nieder in der Einrichtung eines privaten Forschungsinstituts, der Schaffung einer Professur für Grenzgebiete der Psychologie an der Freiburger Universität, der Finanzierung von Forschungsprojekten u.a. durch die DFG sowie in Kooperationen mit Ministerien, Polizei und Justiz. Mittelfristig erfolgreich, konnte die Grenzwissenschaft Parapsychologie jedoch als Teil der Universität nicht auf Dauer gestellt werden. Ende der 1970er setzten soziale, wissenschaftliche und hochschulpolitische Veränderungsprozesse sowie Verschiebungen im Diskurs ein, die 1998 zur Ausgrenzung des Fachs von der Universität führten. Bei der Analyse dieser wechselhaften Prozesse im Untersuchungszeitraum konnte die Bedeutung von spezifischen akademischen, gesellschaftlichen und medialen Akteurskonstellationen sowie Grenzziehungsprozessen herausgearbeitet werden. Zur Beschreibung dieser komplexen Zusammenhänge haben wir ein Modell entworfen, in dem vier Dimensionen unterschieden werden: epistemische, gesellschaftliche, Akteurs-gebundene sowie (hochschul)politische Dimension. Quasi quer zu diesen Dimensionen wurden zusätzlich Kontingenzen sowie der konkrete Ort Freiburg bedeutsam. Eine besondere Rolle spielten weiterhin spezifische soziale und rhetorische Strategien Benders. Sie dienten einer systematischen Grenz-Arbeit (Boundary Work) und zielten darauf, die epistemische Autorität über das Wissensfeld des Paranormalen zu behaupten und auszubauen. Von besonderer Bedeutung waren hier Strategien der Expansion, die sich an außer-wissenschaftliche Felder sowie mediale Öffentlichkeiten richteten und Anwendungs- und Expertenwissen zur Verfügung stellten. Auf diese Weise produzierte' die nicht-hegemoniale Wissenschaftsdisziplin Parapsychologie gesellschaftliche Innovationsmomente, die sich vor allem in Formen, Strategien und Narrativen eines breit angelegten Wissenstransfers in wissenschaftliche wie außer-wissenschaftliche Öffentlichkeiten manifestierten. Das Beispiel Parapsychologie verweist anschaulich auf die historische Bedingtheit von wissenschaftlicher Wissensproduktion und die Wechselhaftigkeit sozialer Anerkennung von Wissenschaft. Das Beispiel zeigt damit die Grenzen einer Kategorisierung auf, welche nicht-hegemoniale Wissenskulturen retrospektiv als wissenschaftlich oder nicht-wissenschaftlich bewertet. Das Projekt liefert damit auch eine Antwort auf eine der generellen Fragen der Wissenschaftsforschung und Universitätsgeschichte: Unter welchen Bedingungen werden wissenschaftliche Wissensbestände als bedeutsam (und legitim) erachtet und unter welchen Umständen werden sie tatsächlich auf Dauer gestellt? Mit der öffentlichen Sichtbarkeit des Themas waren die Berichterstattung in der regionalen Presse sowie Medienanfragen verbunden (u.a. Badische Zeitung (2.10.2014), Universitätszeitung Uni'leben (1/2016), Stadtmagazin Chili (4/2016) sowie ein Bericht im SWR-Fernsehen).
Publications
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Editorial: Okkultismus in der Moderne - Zwischen Wissenschaft, Religion und Unterhaltung, in: Historische Anthropologie 2013 (21), H. 3, S. 215-232
Lux, Anna/ Paletschek, Sylvia
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„Vom spielenden Gelingen." Der Parapsychologe Hans Bender (1907-1991) und die mediale Öffentlichkeit, in: Historische Anthropologie 2013 (21), H. 3, S. 343-366
Lux, Anna
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Freiburg als locus occultus? Das Okkulte als Teil der Freiburger Stadtgeschichte, in: Günther Klugermann/Anna Lux/Uwe Schellinger (Hrsg.), Okkultes Freiburg. Ereignisse - Personen - Schauplätze, Kassel 2015, S. 4-10
Lux, Anna/Klugermann, Günther/Schellinger, Uwe
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Okkultes Freiburg. Ereignisse -Personen - Schauplätze, Kassel 2015
Lux, Anna zus. mit Günther Klugermann/Uwe Schellinger (Hrsg.)
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On all Channels: Hans Bender, the Supernatural, and the Mass Media, in: Revisiting the „Nazi Occult". Histories, Realities, Legacies, ed. by Monica Black/Eric Kurlander, New York 2015, 223-247
Lux, Anna
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Institutionalisierung und Parapsychologie. Eine Hinleitung, in: Anna Lux/Sylvia Paletschek (Hrsg.), Okkultismus im Gehäuse. Institutionalisierungen der Parapsychologie im 20. Jahrhundert im internationalen Vergleich, Berlin/Boston 2016, S. 1-35
Lux, Anna/Paletschek, Sylvia
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Okkultismus im Gehäuse. Institutionalisierungen der Parapsychologie im 20. Jahrhundert in internationaler Perspektive, Berlin/Boston 2016 (= Okkulte Moderne, Bd. 3)
Lux, Anna/Paletschek, Sylvia (Hrsg.)
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Passing Through the Needle's Eye. Dimensionen der universitären Integration der Parapsychologie in Deutschland und den USA, in: Anna Lux/Sylvia Paletschek (Hrsg.), Okkultismus im Gehäuse. Institutionalisierungen der Parapsychologie im 20. Jahrhundert in internationaler Perspektive, Berlin/Boston 2016, S. 93-132
Lux, Anna
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Suche nach Ordnung und Lust an der Anarchie. Interview mit Eberhard Bauer, geführt von Anna Lux und Ehler Voss, in: Anna Lux/Sylvia Paletschek (Hrsg.), Okkultismus im Gehäuse. Institutionalisierungen der Parapsychologie im 20. Jahrhundert im internationalen Vergleich, Berlin/Boston 2016, S. 381-410
Lux, Anna
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"The Return of the Controversy. Testing Psychics in the 1970s and its Consequences for German Parapsychology". Mediality on Trial: Testing and Contesting Trance and other Media Techniques, edited by Ehler Voss, Berlin, Boston: De Gruyter Oldenbourg, 2020
Lux, Anna
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Wissenschaft als Grenzwissenschaft: Hans Bender (1907-1991) und die deutsche Parapsychologie, Berlin, Boston: De Gruyter Oldenbourg, 2020.
Lux, Anna