Detailseite
Projekt Druckansicht

Bestimmungsgründe sozialer Isolation

Antragsteller Dr. Jan Eckhard
Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2014 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 267156871
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In der Anfangsphase des Projekts wurden anhand eines empirischen Indikatorenvergleichs sowie anhand von querschnittlichen Auswertungen wichtige Grundlagen für den weiteren Projektverlauf geschaffen: Zum einen wurde auf dieser Basis eine Entscheidung für eine Operationalisierung von sozialer Isolation getroffen, welche auf extremere Fälle der sozialen Kontaktlosigkeit fokussiert (Eckhard 2018a). Zum anderen erfolgte auf der Basis erster Erkenntnisse über die Korrelate sozialer Isolation eine Fokussierung des Projekts auf die wichtigsten Einflussgrößen: Armut, Arbeitslosigkeit, Gesundheit sowie familienbiografische Variablen. Diese Einflussgrößen wurden im weiteren Projektverlauf auf der Grundlage von Paneldaten (Sozio-ökonomisches Panel, European Community Household Panel) untersucht. Hierdurch erhielten die Forschungsarbeiten des Projekts ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber früheren Analysen sozialer Isolation, welche bis auf wenige Ausnahmen auf Querschnittsdaten beruhen. In der ersten Förderphase konzentrierten sich die Untersuchungen auf Deutschland. Hierbei konnte erstmals gezeigt werden, dass - … der Effekt von Armut auf soziale Isolation auch auf der Basis von Paneldaten und Within-Schätzern aufgezeigt werden kann (Eckhard 2018b). Damit bestätigt sich die vorherrschende Interpretation des Zusammenhangs zwischen Armut und sozialer Isolation als Kausaleffekt. - … von einem kausalen Effekt auch mit Blick auf die sozial-isolierende Wirkung von Arbeitslosigkeit auszugehen ist, allerdings nur in Bezug auf Männer und im Fall einer längeren Dauer der Arbeitslosigkeit (Eckhard 2020a). - … der oft beobachtete negative Zusammenhang zwischen Gesundheit und sozialer Isolation auf komplexen reziproken Effekten beruht und nicht einseitig als Kausaleffekt der sozialen Isolation auf den Gesundheitszustand interpretiert werden sollte (Seifert, Seddig und Eckhard 2021). Stattdessen zeigten sich Hinweise darauf, dass der Zusammenhang sowohl auf der gesundheitsabträglichen Wirkung sozialer Isolation als auch auf der isolierenden Wirkung vieler Krankheiten beruht. Zudem zeigten sich Hinweise auf eine partielle Scheinkorrelation. - … Partnerschaftsgründungen und Eheschließungen in der Regel nur kurzfristig zu sozialen Rückzügen führen, wohingegen Partnerschaftsauflösungen häufig auch längerfristige soziale Isolation nach sich ziehen (Eckhard 2020b). In der zweiten Förderphase wurde der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und sozialer Isolation sowie der Zusammenhang zwischen Armut und sozialer Isolation in international-vergleichender Perspektive untersucht. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen lassen schlussfolgern, dass - … der sozial-isolierende Effekt von Armut weder durch kulturellen Kollektivismus noch durch zivilgesellschaftliche Strukturen, staatliche Sozialleistungen oder negative Einstellungen gegenüber der von Armut betroffenen Bevölkerung moderiert wird, sondern in erster Linie von der Verbreitung von Armut in der Bezugsbevölkerung abhängig ist (Eckhard 2021a). Armut kann demnach vor allem dann zu sozialer Isolation führen, wenn Armut selten ist und in hohem Maß als Ausnahmeerscheinung angesehen wird. - … ein sozial-isolierender Effekt von Arbeitslosigkeit nur mit Bezug auf die männliche Bevölkerung und nur in wenigen Ländern beobachtbar ist (Eckhard 2021b). Der Effekt tritt in Ländern auf, die zugleich eine starke kulturelle Prägung durch die soziale Norm des männlichen Familienernährers und eine relativ niedrige Verbreitung von Arbeitslosigkeit aufweisen. - Länderunterschiede des Risikos sozialer Isolation für Menschen im höheren Alter einem anderen Muster folgen als die isolierenden Effekte von Armut und Arbeitslosigkeit. Während der Armuts- und der Arbeitslosigkeitseffekt durch eine gute wirtschaftliche Lage mit geringen Armuts- und Arbeitslosenquoten begünstigt werden, geht eine gute Wirtschaftslage der Länder (indiziert durch geringe Quoten materieller Deprivation) mit einer geringeren Verbreitung sozialer Isolation unter älteren Menschen einher (Eckhard 2021c). Das Thema der sozialen Auswirkungen von Armut und Arbeitslosigkeit war Gegenstand beider Förderphasen und spielte in verschiedenen Arbeitsphasen eine zentrale Rolle (SOEP- Auswertungen, Pfadmodelle, ECHP-Auswertungen). Die Erkenntnisse zu diesem Themenbereich können wie folgt zusammengeführt werden: Sowohl der Effekt der Armut als auch der Effekt der Arbeitslosigkeit lässt sich in theoretischer Hinsicht einerseits mit den ökonomischen Implikationen (fehlende materielle Ressourcen) und andererseits mit den psychischen Implikationen (Scham- und Unterlegenheitsgefühle) von Armut bzw. Arbeitslosigkeit begründen (Eckhard 2018c, Anlage 5). Verschiedene Befunde des Projekts legen jedoch nahe, dass in erster Linie die psychischen Implikationen von Bedeutung sind, während den ökonomischen Implikationen allenfalls eine untergeordnete Rolle zukommt: a) in Mediationsanalysen konnte der Armutseffekt nicht auf Variablen der materiellen Ausstattung zurückgeführt werden (Eckhard 2017); b) am stärksten ausgeprägt war der Armutseffekt in Ländern mit niedrigen Armutsquoten, in denen Armut in einem höheren Ausmaß als Norm-Abweichung erachtet wird als in Ländern mit einer hohen Verbreitung von Armut (Eckhard 2021a); c) der Effekt von Arbeitslosigkeit zeigte sich nur mit Bezug auf Männer (Eckhard 2020a), für deren Selbstwahrnehmung Erwerbstätigkeit aufgrund tradierter Vorstellungen von Männlichkeit (Male-Breadwinner-Modell) vermutlich eine größere Rolle spielt als für Frauen; d) die Mediationsanalysen zeigten, dass der Effekt der Arbeitslosigkeit nur partiell auf die finanzielle Lage der Arbeitslosen zurückgeführt werden kann (Eckhard 2020a); e) im internationalen Vergleich zeigte sich ein erhöhender Effekt der Arbeitslosigkeit auf das Isolationsrisiko von Männern ausschließlich in Ländern, die eine niedrige Arbeitslosenquote und zugleich eine starke kulturelle Prägung durch das Male-Breadwinner- Model aufwiesen (Eckhard 2021b). Aus diesen Hinweisen lassen sich Schlussfolgerungen mit Blick auf mögliche Strategien und Initiativen zur Bekämpfung von sozialer Isolation ableiten. In den Veröffentlichungen des Projekts werden dementsprechend auch Handlungsmöglichkeiten seitens der Politik und der kommunalen Verbände diskutiert. Auf Basis von Ergebnissen des Projekts wurden zudem eine Präsentation für einen Workshop des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Jugend und Frauen (vorgetragen am 4. Juli 2018 in Berlin) und eine schriftliche Stellungnahme für eine Anhörung (4. November 2020) der Enquetekommission IV „Einsamkeit - Bekämpfung sozialer Isolation " des Landesparlamentes von Nordrhein- Westfalen verfasst.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • 2018. Does poverty increase the risk of social isolation? Insights based on panel data from Germany. The Sociological Quarterly 59: 338-359
    Eckhard, Jan
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/00380253.2018.1436943)
  • 2018. Einsamkeit als Folge von Armut und Marginalisierung. In: Thomas Hax-Schoppenhorst (Hrsg.): Einsamkeits-Buch. Wie Gesundheitsberufe einsame Menschen verstehen, unterstützen und integrieren können. Göttingen/Bern: Hogrefe Verlag, 421-433
    Eckhard, Jan
  • 2018. Indicators of social isolation. A comparison based on panel data from Germany. Social Indicators Research 139: 963-988
    Eckhard, Jan
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s11205-017-1741-y)
  • 2020. Gender differences in the social consequences of unemployment. How job loss affects the risk to become socially isolated. Work, Employment and Society
    Eckhard, Jan
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1177%2F0950017020967903)
  • 2020. Social isolation as a consequence of transitions in partner relationships. How formations and endings of partner relationships affect the risk of social disconnectedness. Journal of Family Research
    Eckhard, Jan
    (Siehe online unter https://doi.org/10.20377/jfr-367)
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung