Die Evolution des Sozialverhaltens bei Primaten. Ein mathematischer Ansatz auf Grundlage der "inclusive fitness" Theorie.
Biologie des Verhaltens und der Sinne
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Evolution des Gruppenlebens bei Primaten ist trotz Jahrzehnten der Forschung noch immer nicht ausreichend verstanden. Zu ihrer Erklärung sind Primatologen im Wesentlichen auf eine Reihe verbaltheoretischer Modelle angewiesen, die gemeinsam als das „Sozioökologische Modell“ bezeichnet werden. Dieses gerät aber zunehmend in die Kritik, insbesondere deshalb, weil es allein auf verbalen Überlegungen beruht, so dass seine Vorhersagen oft schwammig und schwer zu überprüfen sind. Ziel dieses Projektes war es daher, eine formale Theorie des Gruppenlebens bei Primaten zu entwickeln, und aus dieser klare und überprüfbare Vorhersagen abzuleiten. In einem ersten Schritt wurde ein allgemeines analytisches Modell entwickelt, das den Übergang von einer solitären, territitorialen Lebensweise hin zu einer gruppenlebenden Lebensweise untersucht, in der Individuen gemeinsam genutze Territorien gemeinsam gegen Eindringlinge verteidigen. Ziel dieses Modells war es, theoretische Ansätze zur Evolution des Territorialverhaltens mit Modellen der sozialen Evolution in einem allgemeinen Modell zu vereinen. Ein Kernergebnis dieses Modells ist, dass in einer hochgradig kompetetiven Umwelt, in der Individuen stark um eine begrenzte Anzahl von Fortpflanzungsmöglichkeiten konkurrieren, die Evoluton sozialer Strategien begünstigt ist. Auf diesem Ergebnis aufbauend wurde im nächsten Schritt des Projektes die Evolution der sozialen Philopatrie untersucht, einem Verhalten bei dem Individuen in ihrer Geburtsgruppe verbleiben. Soziale Philopatrie, insbesondere von weiblichen Tieren, wird im Allgemeinen als ein erster Schritt auf dem Weg zur Evolution komplexer Primaten-Gesellschaften angesehen. Mithilfe eines umfangreichen evolutionären individuen-basierten Modells, wurde der Frage nachgegangen unter welchen Bedingungen die natürliche Selektion die Evolution der sozialen Philopatrie begünstigt. Im Gegensatz zu den bisherigen verbalen Modellen zeigt dieses Modell, dass Gruppenleben auch ohne einen direkten Gewinn evolutionärer Fitness evolvieren kann, solange die indirekte Fitness, die residente Weibchen dadurch gewinnen, ihren Töchtern die Fortpflanzung innerhalb ihres eigenen Territoriums zu ermöglichen, mögliche Kosten der Ressourcen-Konkurrenz kompensiert. Das Modell zeigt ferner, dass sowohl Raubfeinddruck als auch die Notwendigkeit der gemeinsamen Territorialverteidigung wichtige Selektionsdrücke sind, die die Evolution des Gruppenlebens begünstigen. Darüber hinaus spielen demographische Parameter eine weitaus größere Rolle als bisher angenommen. Noch sind nicht alle Ergebnisse dieses Projektes veröffentlicht. Sobald sie es sind, sollten sie unser Verständnis der Evolution des Gruppenlebens bei Primaten grundlegend verändern und erweitern.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2017) From individual to group territoriality. Competitive environments promote the evolution of social behavior. The American Naturalist 189: E46-57
Port, M, Schülke, O., Ostner, J.
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(2018) Reproductive tolerance in male primates: Old paradigms and new evidence. Evolutionary Anthropology 27: 107-120
Port, M, Schülke, O., Ostner, J.