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Moderne Literaturtheorien in den Kulturen Mittel- und Osteuropas vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Eine intellektuelle Verflechtungsgeschichte
Antragstellerin
Professorin Dr. Schamma Schahadat
Fachliche Zuordnung
Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung
Förderung von 2015 bis 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 270468554
Das Projekt geht von dem Befund aus, dass im 20. Jahrhundert (nicht nur durch einen regen Austausch von Ideen, sondern auch durch persönliche und institutionelle, offizielle und nichtoffizielle Kontakte) intensive intellektuelle Bewegungen im mittel- und osteuropäischen Raum stattgefunden haben. Ideen, Personen und Theorien wanderten zwischen den Kulturen des deutschsprachigen Raums, Polen, der Tschechoslowakei und Russlands hin und her und erzeugten ein gemeinsames theoretisches Feld. Allerdings war dieser Austausch über lange Zeiträume hinweg nur eingeschränkt möglich: Aufgrund der politischen Ereignisse kam es einerseits zu mehreren Exilwellen, andererseits zur Abgeschlossenheit größerer Teile Mittel- und Osteuropas. Politische, aber auch sprachliche Grenzen haben dazu geführt, dass große Teile (ost)mitteleuropäischen Denkens und Wissens in Westeuropa und im anglo-amerikanischen Bereich nicht oder wenig zur Kenntnis genommen wurden. So gelangten einige der Theorien durch exilierte Wissenschaftler/innen in den westlichen literaturtheoretischen Diskurs, wo manche von ihnen (zum Beispiel Bachtins Dialogizität) über Umwege Karriere machten und in neuen kulturellen Kontexten transformiert wurden; andere dagegen (wie zum Beispiel die Theorien von Olga Frejdenberg oder von Stefania Skwarczynska) sind kaum über den russischen bzw. polnischen Kontext hinaus rezipiert wurden. Ein bekanntes Beispiel für einen erfolgreichen Ideentransfer ist die Geschichte des literaturwissenschaftlichen Strukturalismus, dessen Anfänge im transkulturellen Prag zu beobachten sind und der sich nach dem zweiten Weltkrieg in mehrere Strömungen aufgespaltet hat: Dem international gut wahrgenommenen Pariser Strukturalismus sind der im Westen wenig rezipierte Warschauer Strukturalismus sowie die Weiterentwicklungen des Prager Strukturalismus an die Seite zu stellen, da beide Elemente jener Theorien enthielten, die später als Poststrukturalismus aus Frankreich und den USA nach Mittel- und Osteuropa (re)importiert wurden. Unser Projekt verfolgt das Ziel, die Verflechtungsgeschichte dieser mittel- und osteuropäischen Theoriebildung, ihre Bewegungen, Dialoge, Usurpationen oder Transformationen sichtbar zu machen.Geplant ist die Erarbeitung eines forschungsorientierten englischsprachigen Handbuchs mit dem Titel Literary Theory between East and West. Transcultural and Transdisciplinary Movements from Russian Formalism to Cultural Studies, in dem die Entwicklung der ost- und ostmitteleuropäischen Literaturtheorie erstmals als Transfer- und Verflechtungsgeschichte der ost- und mitteleuropäischen Kulturen perspektiviert wird.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Polen
Mitverantwortliche
Professorin Dr. Danuta Ulicka; Professorin Dr. Irina Wutsdorff