Erkundungen der Grenzen des quantifizierten Selbst: Menschliche Handlungsfähigkeit und Wissen in der Literatur und Kultur des Informationszeitalters
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das vorliegende Forschungsprojekt hatte zum Ziel, US-amerikanische Romane bezogen auf ihre kritische Auseinandersetzung mit Themen der Selbstvermessung, Technologisierung und zunehmenden Digitalisierung zu analysieren. Inspiriert von öffentlichen Debatten über die „Quantified Self“-Bewegung und Praktiken der technologiegestützten Selbstoptimierung („selftracking“) schien es sinnvoll, den US-amerikanischen Kulturraum in den Fokus zu nehmen, da die USA als einer der Vorreiter digitaler Technologien wichtige Wegweiser für den globalen Kontext setzt. Grundlegend war die Annahme, dass Literatur trotz der Deutungshoheit der Naturwissenschaften und der Dominanz zahlenbasierter Logik eine wichtige Rolle als Experimentierfeld übernimmt. Literarische Verhandlungen und Darstellungen können kritische Auseinandersetzungen mit der Praktik der Selbstoptimierung anregen, eventuelle Auswirkungen skizzieren und somit einen wichtigen Beitrag zu öffentlichen Debatten leisten. Zu diesem Zweck wurde der Begriff des „Quantified Self“ aus drei Perspektiven analysiert: mit Blick auf ökonomische Verbindungen zwischen Subjekten und Technologie, die Optimierung oder sogar Modifizierung des menschlichen Körpers und im Kontext von Wissenskulturen des Informationszeitalters. Ausgehend von den hierbei rekonstruierten Diskursen und thematischen Schwerpunkten wurde eine bisher noch kaum erfolgte literatur- und kulturwissenschaftliche Reflexion des aktuellen Phänomens des quantifizierten Selbst unternommen. Überraschend war in diesem Zusammenhang, dass Praktiken des digitalen Zeitalters wie beispielweise die zunehmende Ökonomisierung persönlicher Daten, der durch Fremd- und Selbstbestimmung entstehende Konformitätsdruck und auch die zunehmende Verbindung von Selbstquantifizierung mit gaming- bzw. Motivationsmechaniken von den Meinungsführen der Quantified Self Bewegung und des Technologiesektors unkritisch gesehen werden. Ebenfalls war beeindruckend, wie schnell derartige Optimierungsprozesse durch den Einfluss neoliberaler Prozesse Zwangscharakter annehmen können und wie tief die Logik der Quantifizierung in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft verwurzelt ist (beispielsweise bei Krankenversicherung, Assessment Center, Universität). In der Beschäftigung mit dem Phänomen des Quantified Self konnte festgestellt werden, dass es sich um eine symptomatische Entwicklung handelt, die in einem größeren Rahmen der ‚Optimierung‘ des Menschlichen zu betrachten ist. Sowohl wissenschaftliche als auch fiktionale Beobachtungen lassen vermuten, dass das Quantified Self ein Schritt auf dem Weg zu weiteren Eingriffen in den menschlichen Körper und Geist darstellt. Im Rahmen des Projekts wurden mehrere Workshops und internationale Tagungen durchgeführt. Durch die Vernetzung und den Austausch mit WissenschaftlerInnen aus Disziplinen wie der Informatik, Digital Humanities, Mathematik und Soziologie konnten dabei zentrale Aspekte digitaler Technologien, Big Data und der Selbstquantifizierung kritisch reflektiert werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- “Between Nostalgic Resistance and Critical Appropriation: Contemporary American Fiction on/of the Information Age and the Potentials of (Post)Humanist Narrative.” Amerikastudien/American Studies 61.3. (2016): 359-379
Schober, Regina
- “Theorizing the Quantified Self and Posthumanist Agency: Self-Knowledge and Posthumanist Agency in Contemporary US American Literature.” Digital Culture and Society 2.1 (2016). “Quantified Selves and Statistical Bodies.” Eds. Pablo Abend and Matthias Fuchs. 53-76
Danter, Stefan, Ulfried Reichardt, Regina Schober
(Siehe online unter https://doi.org/10.14361/dcs-2016-0105) - Data Fiction: Naturalism, Narrative and Numbers. Special Issue of Studies in American Naturalism 12.1 (Summer 2017)
Schober, Regina and James Dorson, ed.
- The Failed Individual: Amid Exclusion, Resistance, and the Pleasure of Non-Conformity. Berlin: Campus, 2017
Schober, Regina and Katharina Motyl, ed
- “Counting Success and Measuring Value: Money, Numbers, and Abstraction in Sister Carrie.” Data Fiction: Naturalism, Narrative and Numbers. Special Issue of Studies in American Naturalism. Eds. James Dorson and Regina Schober. 12.1 (Summer 2017): 89-104
Reichardt, Ulfried
(Siehe online unter https://doi.org/10.1353/san.2017.0005) - “Failure Blogs and the Confessional Self.” The Failed Individual: Amid Exclusion, Resistance, and the Pleasure of Non-Conformity. Ed. Katharina Motyl and Regina Schober. Berlin: Campus, 2017. 375-392
Schober, Regina
- “Introduction: Data Fiction.” Data Fiction: Naturalism, Narrative and Numbers. Special Issue of Studies in American Naturalism. Ed. James Dorson and Regina Schober. 12.1 (Summer 2017): 1-8
Schober, Regina and James Dorson
(Siehe online unter https://doi.org/10.1353/san.2017.0000) - “Introduction: The Failed Individual.” The Failed Individual: Amid Exclusion, Resistance, and the Pleasure of Non-Conformity. Ed. Katharina Motyl and Regina Schober. Berlin: Campus, 2017, 11-27
Hamscha, Susanne, Katharina Motyl, Regina Schober
- “’A Problem in Small Boat Navigation’: Ocean Metaphors and Emerging Data Epistemology in Stephen Crane's ‘The Open Boat’ and Jack London's ‘The Heathen’.” Data Fiction: Naturalism, Narrative and Numbers. Special Issue of Studies in American Naturalism. Eds. James Dorson and Regina Schober. 12.1 (Summer 2017): 70-88
Schober, Regina
(Siehe online unter https://doi.org/10.1353/san.2017.0004) - “Self-Observation in the Digital Age: The Quantified Self, Neoliberalism, and the Paradoxes of Contemporary Individualism.” Amerikastudien/American Studies 63.1 (2018): 99-117
Reichardt, Ulfried