Information als Ware. Zur Geschichte der Kommerzialisierung von Medieninhalten im 19. und 20. Jahrhundert
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Forschungsprojekt 'Ware Information' analysierte den Prozess der Kommerzialisierung von Text- und Bildinhalten wie Nachrichten, Buchillustrationen, Pressefotos, Kurzgeschichten oder Reportagen von den 1830er bis zum Ende des zweiten Weltkrieges. Damit hatte das Projekt die Wirtschafts- und Kulturgeschichte eines Phänomens zum Thema, das die Öffentlichkeit heute zutiefst beunruhigt. Denn die Medienbranche erlebt mit ihrer Digitalisierung und Virtualisierung derzeit einen tiefgreifenden Umbruch, der oft als Tod der über das gedruckte Medium vermittelten abendländischen Kultur, als Ende des 'Gutenberg-Zeitalters' verstanden wird. Dabei wird allerdings häufig übersehen, dass der Handel mit der virtuellen Ware Information kein Phänomen der Gegenwart ist. Es hat vielmehr historische Wurzeln, die sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen lassen, als sich Texte und Bilder als von ihrem Trägermedium losgelöste virtuelle Produkte zeitgleich mit den illustrierten Massenmedien zu einem eigenständigen Handelsgut der Medienökonomie entwickelten. Einer der Schlüssel zum Verständnis dieses Gutes ist die Möglichkeit, es in seine kleinsten Einheiten zu zerlegen, bei Bedarf neu zusammenzusetzen und die Rechte an seiner Nutzung mehrfach zu verkaufen. Beim hierzu notwendigen Perspektivwechsel erwiesen sich jene erfolgreichen Unternehmer als Vorreiter, die nachweisbar bereits vor der Mitte des 19. Jahrhunderts ihre Inhalte als 'Assets' verstanden. Die Untersuchung liefert sowohl einen Überblick über die grundlegenden Prozesse des Contenthandels in Deutschland, Großbritannien und Frankreich als auch die detaillierte Analyse einzelner Medien und ihrer Inhalte und geht am Beispiel ausgewählter Verlagsprogramme in die Tiefe des Handels mit Informationen. Auf der Basis der Rekonstruktion des vollständigen Verlagsprogrammes verschiedener namhafter deutscher, britischer und französischer Verlage (Charles Knight, Martin Bossange, Georg Wigand, Johann Jakob Weber, Herbert Ingram, Edouard Charton und Otto Spamer) wurde ein Verfahren entwickelt, dass die Analyse der gesamten Contentproduktion sowie des Handels mit Inhalten als eine Art von 'Verflechtungsgeschichte' ermöglichte. Die in der Öffentlichkeit häufig gestellte Frage, ob in der Informationsökonomie nun eigentlich der Inhalt oder aber das Medium verkauft werde (der 'Wein' oder die 'Flasche'), erwies sich als falsch gestellt: Wo sich der Inhalt (noch) nicht virtuell über das Internet vertreiben ließ, wurden um den Content herum eigens Medien für unterschiedliche Kundengruppen geschaffen, um das virtuelle Asset so weitgehend wie möglich zu verwerten. Erst im Zusammenspiel von Inhalt (in verschiedenen Darreichungsformen) und Form lässt sich der Massenmarkt für Medien und Inhalte in seinem ganzen Ausmaß und seiner ganzen Vielfalt erfassen. Im Ergebnis entsteht das in dieser Schärfe nicht erwartete Bild eines bereits seit den 1830er Jahren auf grenzüberschreitenden Unternehmernetzwerken beruhenden und voll ausgebildeten internationalen Handels mit der virtuellen Ware Information, der auf einer intensiven Mehrfachverwertung beruhte und völlig neue ökonomische Perspektiven eröffnete. Noch bremste die schwerfällige und kostspielige Technologie die volle Ausnutzung dieses Gutes. Der Weg war jedoch gebahnt für ein ökonomisches Wissen, das bis vor kurzem zu den bestgehüteten Geheimnissen der Medienunternehmer gehörte: Dass nämlich nicht (nur) der vielbeschworene, jedoch überaus unberechenbare Bestseller den Erfolg eines Verlages ausmachte, sondern die geschickte Mehrfachverwertung des vorhandenen Stoffs.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Contemporary or Commercial? The Impact of Innovative Image Reproduction Techniques on the Imagery of Nineteenth Century Mass Media in Germany. In : Martin Schreiber/Clemens Zimmermann (Hg.): Journalism and Technological Change. Historical Perspectives, Contemporary Trends, Frankfurt am Main: Campus 2014, S. 142-164
Gudermann, Rita