Affektive Dysregulation bei Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung: Psychophysiologische Veränderungen bei der Imagination emotionaler Episoden
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ein Kernsymptom der Borderline Persönlichkeitsstörung ist eine generelle emotionale Vulnerabilität, die Ergebnisse psychophysiologischer Studien zu dieser Hypothese sind jedoch nicht konsistent. Unter Berücksichtigung der hohen Rate an Komorbidität mit einer PTSD sollte auch eine mögliche Modulation der emotionalen Reaktivität durch deren Symptome in Betracht gezogen werden. Des Weiteren sollte der Einfluss der Dissoziation untersucht werden, der in bisherigen Studien meist nicht erfasst wurde. In unserer Studie wurde ein Paradigma eingesetzt, bei dem personalisierte negative, störungsspezifische (Verletzung des Selbstwerts/Zurückweisung und Verlassen werden) sowie standardisierte unangenehme, neutrale und angenehme Skripte dargeboten wurden, um so die emotionale Reaktivität bei Patienten mit BPS zu untersuchen. 40 unmedizierte BPS-Patienten und 32 gesunde Kontrollprobanden lasen zunächst und imaginierten die Skripte anschließend. Währen des Lesens und Imaginierens wurden akustische Schreckreize dargeboten, untersucht wurden die Schreckreaktion (elektromyographisch) sowie die elektrodermale und die kardiovaskuläre Aktivität. Es zeigte sich, dass die Imagination von störungsspezifischen Skripten nur bei den BPS-Patienten zu einer deutlichen Potenzierung der Schreckreaktion und gesteigerten autonomen Reaktionen führte, nicht jedoch bei den Kontrollprobanden. BPS-Patienten mit aktuell komorbider PTSD wiesen dabei eine abgeschwächte Schreckreaktion im Vergleich zu den Patienten ohne komorbide PTSD auf. Dieser Effekt zeigte sich am deutlichsten bei Patienten mit ausgeprägter PTSD und unterstützt theoretische Modelle, die von einem „underarousal" und verringerten Emotionsmodulation bei PTSD Patienten ausgehen. In weiteren Analysen konnte nachgewiesen werden, dass dissoziative Prozesse bei fast allen Skriptkategorien den Zusammenhang zwischen BPS und Hautleitfähigkeit mediierten. Für die Startle-Reaktion ergab sich folgendes Bild: je stärker dissoziiert wurde, desto geringer war die Startlereaktion. Dieser Befund könnte die heterogene Studienlage für den Startlereflex erklären, da in den bisherigen Studien die Dissoziationsneigung während der experimentellen Manipulation nicht berücksichtigt wurde. Unsere Befunde legen nahe, dass bei der Messung physiologischer Parameter Komorbidität (speziell PTSD) und Dissoziation zu berücksichtigen sind, da diese Faktoren erheblich auf die Messung Einfluss nehmen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Verletzung des Selbstwerts/Zurückweisung und Verlassen werden beinhaltende Szenen spezifisch bei PBS-Patienten defensive Reaktionen aktivieren können. Diese Ergebnisse legen nahe, dass bei BPS-Patienten keine generell erhöhte physiologische Reaktivität auf emotionale Stimuli vorliegt, sondern dass diese Patienten dann eine erhöhte emotionale Vulnerabilität aufweisen, wenn störungsspezifische Schemata aktiviert werden. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass die emotionale Reaktivität bei komorbider PTSD abgeschwächt ist. Dissoziation führt zu einem verstärkten Arousal (Hautleitfähigkeit) bei den BPS-Patienten und vermindert die eigentlich in dieser Gruppe erhöhte Startle-Neigung. Dissoziative Prozesse bewirken somit, dass Patienten einerseits Anspannung erleben, andererseits ihre emotionale Reagibilität herunterregulieren. Mittels Mediationsanalysen (Sobel Tests) konnten wir zudem zeigen, dass Unterschiede in der psychophysiologischen Reagibilität von Gesunden und Borderline-Patienten durch Dissoziation mediiert werden. Therapeutische Interventionen sollten vor diesem Hintergrund auf die Verbesserung der Regulation derjenigen Emotionen fokussieren, die durch Ereignisse ausgelöst werden, die Schemata von Verlassenheit und Zurückweisung triggern, zudem ist es wichtig den Umgang mit Dissoziation zu thematisieren, da dissoziative Erfahrungen Lernprozesse maßgeblich negativ beeinflusst. In einer Folgeuntersuchung soll nun ein en/veitertes Paradigma in einer fMRT-Untersuchung eingesetzt werden. Der Fokus wird dann auf der EwoWonsregulation liegen: Die Aufgabe der Versuchsperson besteht darin, nach Darbietung des Skripts die jeweils generierte Emotion zu verstärken bzw. herunterzuregulieren. Untersucht werden soll zusätzlich das Zusammenspiel von limbischen Strukturen und verschiedenen Regionen des präfrontalen Kortex in Abhängigkeit der State-Dissoziation.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2006) Affektive Dysregulation bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung: Psychophysiologische Veränderungen bei der Imagination emotionaler Episoden. Workshop Department Neurowissenschaften, 12.10.06
Barnow, S.
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(2007). Affektive Dysregulation bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung: Psychophysiologische Veränderungen bei der Imagination emotionaler Episoden. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Psychophysiologie und ihre Anwendung (DGPA) „Psychologie und Gehirn", 14.-17.05.2008 in Magdeburg
Limberg, A., Barnow, S., Freyberger, H.J., & Hamm, A.O.
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(2007). Der Einfluss einer komorbiden Posttraumatischen Belastungsstörung aufdie emotionale Reaktivität bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung. Kongress „Psychologie und Gehirn", 10.-12.06.2010 in Greifswald
Limberg, A., Barnow, S., Freyberger, H.J., & Hamm, A.O.
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(2007). Emotional startle modulation during script driven imagery in patients with borderline personality disorder. 47th annual meeting of the Society for Psychophysiological Research
Limberg, A., Barnow, S., Freyberger, H.J., & Hamm, A.O.
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(2007). Emotional startle modulation during script driven imagery in patients with Borderline Personality Disorder. Weltkongress für Kognitive und Verhaltenstherapien (WCBT), 11.-14.07.2007 in Barcelona
Limberg, A., Hamm, A.O., Freyberger, H.J., Barnow, S.
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(2008). Affektive Dysregulation bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung: Psychophysiologische Veränderungen bei der Imagination emotionaler Episoden. Symposium Psychophysiologie. In P. Warschburger, W. Ihle & G. Esser (Hrsg.). Seelisch gesund von Anfang an. Programm und Abstracts des 26. Symposiums der Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, 1.-3. Mai 2008 in Potsdam, S. 93. Potsdam: Universitätsverlag
Limberg, A., Hamm, A. O., Freyberger, H. J. & Barnow, S.
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(2008). Emotionale Regulation und die Bedeutung von Dissoziation bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Medizinische Psychologie, Psychosomatik und Psychotherapie, 75
Barnow, S., Limberg, A., Spitzer, C.
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(2008). Emotionale Regulation und die Bedeutung von Dissoziation bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Wiss. Symposium/Workshop bei der 59. Jahrestagung des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin (DKPM) und 16. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) „Bindung und Entwicklung", 12.-15. März 2008 in Freiburg im Breisgau
Barnow, S., Limberg, A., Spitzer, C.
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(2008). Emotionsregulation bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung: Psychophysiologische Veränderungen bei der Imagination emotionaler Episoden. Jahrestagung der Gesellschaft für Nervenheilkunde, 10. bis 12.10.2008 in Feldberg
Limberg, A., Hamm, A.C., Freyberger, H.J., Barnow, S.
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(2009). Borderline Persönlichkeitsstörung: Generelle oder spezifische emotionale Vulnerabilität? Psychophysiologische Veränderungen bei der Imagination emotionaler Episoden. DGPPN Kongress 2009, 25.-28.11.09 im ICC Berlin
Limberg, A., Barnow, S., Freyberger, H. J., Hamm, A. O.
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(2010). Emotional Imagery In Borderline Personality Disorder: Defensive Responses Are Cue Specific And Modulated By Co-Morbid Post-Traumatic Stress Disorder. 1st International Congress on Borderline Personality Disorder, 01.-03.07.2010 in Berlin
Limberg, A., Barnow, S., Freyberger, H. J., Hamm, A. O.