IMAGMA: Imagines Maiestatis: Barbarische Münzen, elite Identitäten und die Geburt Europas
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die wichtigsten wissenschaftlichen Fortschritte sind bei der Zusammenarbeit mit der polnischen Projektgruppe entstanden. So wird vor allem am enormen Zuwachs an Funden von Imitationen aus der Ukraine (leider oft Detektorfunde aus „grauen/schwarzen“ Quellen) deutlich, dass der chronologische Schwerpunkt der Silberimitationen erheblich später als ihre offiziellen römischen Vorbilder erst im 3. Jahrhundert liegt, nachdem der massive Zufluss an römischen Denaren in das Barbaricum am Ende des 2. Jahrhunderts unterbrochen wurde. Imitationen von Denaren wurden mindestens bis um die Wende vom 3. zum 4. Jahrhunderts weiterhin hergestellt. Gold hingegen wurde erst ab dem letzten Drittel des 3. Jahrhunderts imitiert. Es ist deutlich geworden, dass Silber- und Goldmünzen und somit Imitationen unterschiedliche Funktionen hatten. Während Silber im Sinne eines „Special Purpose Money“ als Wertdepot und Transaktionen zwischen Elitegruppen diente, wurden sowohl massive als auch plattierte Goldimitationen eher als Prestigeobjekte gehandhabt. Sie wurden in der Regel gelocht und zur Schau getragen, so dass das Kaiserporträt erkennbar war. Welche Bedeutung der Kaiserkopf in diesem Zusammenhang hatte, bleibt unklar. Diese Erkenntnis gilt sowohl für die Goldmünzen von der Ukraine als auch für die donauländische Gruppe. Die Imitationen sind in erster Linie mit den Goten in Verbindung zu bringen und belegen somit den enormen Reichtum der Goten sowie welche Gefahr sie für Rom bedeuteten. Schon bekannt war, dass Stempelverbindungen zwischen Imitationen von verschiedenen Fundstellen auf weitreichende Verbindungen in Mitteleuropa weisen. Dank der Arbeit von IMAGMA wird klar, dass sich dieses Netzwerk von Skandinavien über Norddeutschland bis in die Ukraine und weiter erstreckte. Technische und Materialanalysen belegen, dass verschiedene Herstellungsmethoden und Legierungen bei der Produktion der Imitationen verwendet wurden, aber sehr oft die Imitationen aus erheblich feinerem Silber als ihre offiziellen Vorbilder bestanden. Anhand von Bleiisotopenanalysen konnten drei Gruppen von Imitationen mit verschieden Isotopensignaturen identifiziert werden: Vermutlich wurde Silber sowohl aus römischen als auch aus lokalen Quellen verwendet. Die imitativen Silberprägungen des ausgehenden 4. und des 5. Jahrhunderts im gallisch-germanischen Raum konnten ebenfalls neu kontextualisiert werden. Auch hier wurden Verbindungen mit weiter östlich gelegenen Regionen deutlich, u. a. in Form der Übernahme eines ikonographischen Elements, das Ankerkreuz, identifiziert werden. Bedeutend ist auch eine genderspezifische Entwicklung in der Funktion von Silbermünzen im 5. Jahrhundert. Werden die gelochten Goldmünzen und -imitationen des späten 3. und des 4. Jahrhunderts mit Männern in Verbindung gebracht, wurden Silbermünzen, die vorher nur in seltenen Fällen zum Tragen gelocht wurden, jetzt gelocht als Schmuck in Frauengräber gelegt. Zu den erfreulichen Überraschungen gehörten die Neufunde aus Deutschland – die fränkischen Silberimitationen aus Hessen/Thüringen sowie eine Reihe von Denarimitationen aus Mecklenburg- Vorpommern – die nicht im Projektplan vorgesehen wurden. Nicht nur werfen sie neues Licht auf die Rolle des deutschen Barbaricums in den Entwicklungen jenseits des Limes in der Spätantike, sie eröffnen auch interessante Möglichkeiten für künftige Forschungen. Von der Sammlung Unger war schon bekannt, dass sie wichtiges Material enthält. Die außerordentliche Bedeutung des Materials war aber nicht erwartet.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Romans and Roman Finds in the Central European Barbaricum: A New View on Romano-Germanic Relations? In: S. González Sánchez/A. Guglielmi (Hrsg.) Romans and barbarians beyond the frontiers: archaeology, ideology and identities in the north (Oxford 2017) 105–124
H.-U. Voß & D. Wigg-Wolf
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„Fränkische" Silberlinge aus dem nordhessischen Schwalm-Eder- Kreis. Zu neuen Münzfundenvon der frühgeschichtliche Siedlung „Hofestatt" bei Gudensberg-Obervorschütz. Hessen Archäologie 2019, 2019, 140–142
H. Komnick; A. Thiedmann & D. Wigg-Wolf
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Constantine III and the Rhine Frontier – New Numismatic Evidence. In: J. Chameroy/P.-M. Guihard (Hrsg.), Argentum Romanorum sive Barbarorum. Tradition und Entwicklung im Gebrauch des Silbergeldes im Römischen Westen (4.-6. Jh.). RGZM Tagungen (41) (Mainz 2020) 103–116
D. Wigg-Wolf
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Zu völkerwanderungszeitlichen Silbermünzimitationen und barbarisierten Denaren im Gebiet der Provinzen Belgica I, Germania I und II sowie aus dem östlich angrenzenden Raum. In: J. Chameroy/P.-M. Guihard (Hrsg.), Argentum Romanorum sive Barbarorum. Tradition und Entwicklung im Gebrauch des Silbergeldes im Römischen Westen (4.-6. Jh.). RGZM Tagungen (41) (Mainz 2020) 177–190
H. Komnick
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The Stuttgart Coin Collector Ernst Unger and His Networks. Aleksanderia, 225-234.
Komnick, Holger; Pilekić, Marjanko & Wigg-Wolf, David
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Zu gelochten Denaren als „non-Roman phenomenon“ und zum Ursprung des Ankerkreuzmotives auf germanischen (frühfränkischen?) Silbermünzimitationen. In: A. Flückiger/M. Helmbrecht/Ch. Lobinger (Hrsg.), Eliten, Zentren und Peripherien. Tagungsbeiträge der Arbeitsgemeinschaft Spätantike und Frühmittelalter 13., 2018, Halle (Saale). Studien zu Spätantike und Frühmittelalter (11) (Hamburg 2023) 63– 104
H. Komnick
