Detailseite
Projekt Druckansicht

Wie zentral ist die Mitte? Mittelschichtsdiskurse und wohlfahrtsstaatlicher Politikwandel im internationalen Vergleich

Fachliche Zuordnung Politikwissenschaft
Förderung Förderung von 2015 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 278130433
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Rahmen des Projekts konnte herausgearbeitet werden, dass „die Mittelschicht“ eine herausragende Rolle bei der Beobachtung, Sortierung und Bewertung gesellschaftlicher Phänomene einnimmt und als diskursive Figur die wohlfahrtsstaatliche (Reform-)Politik in vielfältiger Weise prägt. Die grundsätzlich mehrdeutige und ambivalente Kategorie der Mittelschicht wird dabei in national spezifische, historisch geronnene Vorstellungen über den Aufbau von Gesellschaft eingepasst, und zugleich prägt die diskursive Praxis der Bezugnahme auf die Mittelschicht die kollektive Imagination von Gesellschaft. Unsere Forschung macht deutlich, dass die (gerade in Deutschland) omnipräsente Rede von der Mittelschicht eine performative Praxis darstellt, die nicht allein eine sozialstrukturelle Realität beschreibt, sondern Wirklichkeiten hervorbringt, indem sie sich in ein weitverzweigtes Netz an Bedeutungsgehalten und semantischen Traditionen einschreibt und bestimmte Wege der Politikgestaltung plausibilisiert – eine Praxis, in die auch die Sozialwissenschaften verwickelt sind. Neben den theoretisch-konzeptionellen Impulsen für eine interpretative Wohlfahrtsstaatsforschung entfalten unsere Ergebnisse auch eine gesellschaftspolitische Relevanz, da sie den Blick darauf lenken, was geschieht, wenn die Mittelschicht angerufen wird, d.h. welche politischen Möglichkeiten damit eröffnet und welche verschlossen werden. Im Zuge der Projektarbeit wurden wir insbesondere von den Differenzen zwischen den Untersuchungsländern sowie deren Anschlussfähigkeit an ideengeschichtliche Positionen und theoretisch-normative Diskurse überrascht. Zwar baute das Projekt auf der Annahme national unterschiedlicher Mittelschichtsdiskurse auf, die Deutlichkeit und Schärfe der Kontraste überstieg jedoch unsere Erwartungen. Dies gilt insbesondere für den schwedischen Fall, wo wir, nicht zuletzt angesichts der Art und Weise, wie der schwedische Wohlfahrtsstaat in der sozialwissenschaftlichen Forschung behandelt wird, eine positivere Konnotation der Mittelschichtskategorie erwartet hatten. Die in dieser Hinsicht unerwarteten Ergebnisse unserer Diskursanalyse setzten uns vor gewisse Interpretationsherausforderungen, sie stellten vor allem aber auch neue Erkenntnisse dar, die sich zu Beginn des Forschungsprojekts nicht hätten derart formulieren lassen. Diese Einsicht ist nicht zuletzt eine Botschaft an die sozialstrukturell ausgerichtete (Wohlfahrtsstaats-)Forschung, die davon ausgeht und ausgehen muss, dass eine Kategorie wie die Mittelschicht eine neutrale Klassifizierungsgröße ist, die sich ohne Weiteres für internationale Vergleiche einsetzen lässt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung