Sicherheitssektorreform und die Stabilität von Nachkriegsfrieden
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Unsere Projektergebnisse leisten einen Beitrag zur wissenschaftlichen Debatte, aber auch zur politischen Praxis von institutionellen Reformprozessen nach Kriegsende. Auch, oder vielleicht gerade, die Reform der Institutionen des Sicherheitssektors erfordert ein hohes Maß an Anpassung an die jeweiligen historischen, kulturellen und sozialen Kontexte. Nur wenn die erfolgt, können Reformen von Militär, Polizei und Justiz einen Beitrag zu nachhaltiger Befriedung leisten. Wir haben gezeigt, dass der Reform der Justiz hierfür eine weit wichtigere Rolle zukommt als bisher angenommen. In der politischen und wissenschaftlichen Diskussion zur Justiz in Nachkriegsgesellschaften lag (und liegt) der Fokus entweder auf der Übergangsjustiz (Transitional Justice) oder aber auf der Förderung von Rechtsstaatlichkeit (Rule of Law) ohne dass hier systematisch die Interaktion mit Reformen von Polizei und Militär thematisiert werden. Ein holistischer Ansatz ist aber nicht nur bei der Analyse der zugrundliegenden Machtverhältnisse notwendig, sondern auch für die Entwicklung innovativer und zielführender Politikansätze zur Friedensentwicklung. Unsere Datenerhebung zeigt sehr deutlich, wo hier die inhaltlichen Defizite liegen und dass selbst die Umsetzung vereinbarter Reformen einen im Vergleich zu anderen Reformen (etwa die Durchführung von Wahlen oder die Demobilisierung von Ex-Kombattant/innen) einen langen Zeithorizont erfordert. Unsere qualitativen Fallstudien weisen außerdem darauf hin, dass die im Krieg entstandenen Machtverhältnisse auch das Kriegsende überleben. In El Salvador haben die ehemaligen Kriegsgegner über 25 Jahre das politische System des Landes dominiert. Ähnliches lässt sich in Nepal beobachten. Der ugandische Präsident Museveni ist sogar schon seit 1986 im Amt. Die vielfach mit dem Kriegsende verbundenen Hoffnungen auf grundlegenden Wandel in Richtung auf die Bearbeitung struktureller Konfliktursachen erfüllen sich deshalb kaum. Das in der internationalen Politik verbreitete minimalistische Friedenskonzept hilft dabei nicht. Die in den letzten Jahren abermals verstärkte Begünstigung von „Stabilisierung“ statt transformativem Wandel mag Kriege beenden, verlagert die Gewalt und die Konflikte aber letztlich aus der Politik in die Gesellschaft. Das Beispiel El Salvadors mit seinem hoch gelobten Friedensabkommen, aber einer der höchsten Mordraten der Welt ist ein warnendes Beispiel. Wandel produziert oder reproduziert Konflikte und nachhaltiger Frieden zeichnet sich dadurch aus, dass Gesellschaften in der Lage sind, diese konstruktiv zu bearbeiten. Dafür ist ein Justizsystem, das alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen repräsentiert und ihnen Zugang ermöglicht, im gesamten Territorium präsent und von politischer Einflussnahme frei ist, eine zentrale Voraussetzung. Die Ergebnisse unseres Projektes sind in unterschiedlichen Formaten von nationalen und internationalen Medien aufgegriffen worden bzw. in deren Berichterstattung eingeflossen (https://www.giga-hamburg.de/de/projekt/security-sector-reform-and-the-stability-of-postwar-peace Medien). Vor dem Hintergrund der Debatte um Polizeireformen in den USA haben die Antragsteller außerdem beim US Blog der London School of Economics gezeigt, was die USA von den Reformprozessen im globalen Süden lernen kann (https://blogs.lse.ac.uk/usappblog/2020/07/02/what-the-us-can-learn-from-the-globalsouth-about-police-reform/). Dies zeigt einmal mehr, dass Erfahrungsaustausch fruchtbar sein kann, wenn er keine Einbahnstraße von Nord nach Süd ist.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- 2016. Security sector reform, ethnic representation and perceptions of safety: evidence from Kosovo in, Civil Wars, 18, 2016, 3, 338-358
Julia Strasheim / John Laidlaw Gray
(Siehe online unter https://doi.org/10.1080/13698249.2016.1215636) - 2017, Security sector reform in Africa: Donor approaches versus local needs, Contemporary Security Policy, 38, 2017, 1, 129-144
Nadine Ansorg
(Siehe online unter https://doi.org/10.1080/13523260.2016.1278343) - (2018). Better peacekeepers, better protection? Troop quality of United Nations peace operations and violence against civilians. Journal of Peace Research [Online] 55:742-758
Felix Haass /Nadine Ansorg
(Siehe online unter https://doi.org/10.1177/0022343318785419) - 2018, Gender and the EU's Support for Security Sector Reform in Fragile Contexts, in: Journal of Common Market Studies, 56, 2018, 5, 1127- 1143
Nadine Ansorg / Toni Haastrup
(Siehe online unter https://doi.org/10.1111/jcms.12716) - (2019), Bringing Regional Politics to the Study of Security Sector Reform: Army Reform in Sierra Leone and Iraq, GIGA Working Paper, No. 319, August 2019, Hamburg: GIGA
Almohamad, Selman
- 2019. Co-operation, Contestation and Complexity in Post-Conflict Security Sector Reform, in Journal of Intervention and Statebuilding, 13, 2019, 1, 2-24
Nadine Ansorg / Eleanor Gordon
(Siehe online unter https://doi.org/10.1080/17502977.2018.1516392) - 2019. Judicial Reform – A Neglected Dimension of SSR in El Salvador, in: Journal of Intervention and Statebuilding, 13, 1, 57-74
Sabine Kurtenbach
(Siehe online unter https://doi.org/10.1080/17502977.2018.1517112) - 2019. No "end of the peace process": federalism and ethnic violence in Nepal, in Cooperation and Conflict, 54, 2019, 1
Julia Strasheim
(Siehe online unter https://doi.org/10.1177/0010836717750199) - 2019. Veto Players in Post-Conflict DDR Programs: Evidence From Nepal and the DRC, in Journal of Intervention and Statebuilding, 13, 2019, 1, 112-130
Nadine Ansorg / Julia Strasheim
(Siehe online unter https://doi.org/10.1080/17502977.2018.1501981) - 2020: Security Sector Reform After Armed Conflict in: (ed.), The Palgrave Encyclopedia of Peace and Conflict Studies, Cham: Palgrave Macmillan
Sabine Kurtenbach / Nadine Ansorg
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-030-11795-5_3-1)