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Von ritueller Offenheit zur juristischen Vereindeutigung: Die Beziehung des Papsttums zu Normannen und Staufern in Süditalien (11.-13. Jahrhundert)

Fachliche Zuordnung Mittelalterliche Geschichte
Förderung Förderung von 2015 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 281652222
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Rahmen des Projekts wurden die für die Geschichte Süditaliens als zentral anzusehenden Beziehungen des Papsttums erst zu den normannischen Eroberern ab 1059, dann zu den normannischen Königen ab 1130 und schließlich zu deren staufischen Erben ab 1194 untersucht. Ausgangspunkt des Projekts war die Beobachtung, dass insbesondere in der deutschsprachigen, traditionell stark rechtshistorisch argumentierenden Forschung die lehnsrechtliche Meistererzählung die Deutung der Beziehung dominierte. Zur Erklärung zentraler Ereignisse wurden daher regelhaft die Normen eines systematisierten Lehnsrechts herangezogen, welche Handlungsspielraum und -motivation der beteiligten Parteien bestimmt haben sollen. Mit Blick auf die Erkenntnisse der neueren Forschung zum Lehnswesen seit der Veröffentlichung des Buchs ‚Fiefs and vassals‘ von Susan Reynolds im Jahr 1994 war diese Auslegung der Beziehung jedoch zu überprüfen. Aufbauend auf dieser aktuellen Forschungsdiskussion hat das Projekt unter Einbeziehung kulturgeschichtlicher Fragestellungen einen grundlegenden Perspektivwechsel vollzogen. Durch die Fokussierung auf einzelne Kommunikationsvorgänge sowie die konsequente Kontextualisierung zentraler Ereignisse konnte eine Neubewertung des päpstlichen Verhältnisses zu den süditalienischen Herrschern erreicht werden. Erstens kann die päpstlich-normannische Beziehung im 11. und 12. Jahrhundert offener als bisher als asymmetrische Treuebindung beschrieben werden. Diese gründete einerseits auf bereits in Süditalien etablierten rituellen Praktiken wie dem Treueid und der Fahneninvestitur, andererseits auf situativen Anlässen und unterschiedlichen Motiven beider Seiten die Treuebindung regelmäßig zu erneuern. Der Eid, auf den man sich im Jahr 1059 verständigt hatte, hielt die Vertragsinhalte fest und gab die Leitlinien der Beziehung vor. Auch in späteren Fällen und Konflikten ist eine vergleichbar situationsgebundene Handlungsweise erkennbar, welche vor allem durch die jeweilige politische Situation der beiden Parteien beeinflusst wurde. Zweitens wurden die in den Quellen zu fassenden rituellen Handlungen ohne lehnsrechtliche Vorannahmen betrachtet. Dadurch traten nicht nur bislang von der Forschung weitgehend unbeachtete Rituale, wie der Rekonziliationsritus, in den Fokus, sondern es wurde auch die Mehrdeutigkeit vormals im Kontext der päpstlich-normannischen Beziehung lehnsrechtlich gedeuteter Rituale wie des Handgangs erkennbar. Drittens wurde deutlich, dass erst im 13. Jahrhundert eine allmähliche lehnsrechtliche Umdeutung der Beziehung vonstattenging. Insbesondere bei Konfliktfällen ist zu beobachten, dass die Päpste in ihrer Argumentation zunehmend lehnsrechtliche Begrifflichkeiten verwendeten und ältere Textvorlagen rechtlich zu vereindeutigen suchten.

 
 

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