Literarische Figuren in frühen Texten des japanischen Autors Nagai Kafû (1879-1959): Figurenmodelle im literarischen und historischen Kontext

• Antragsteller: Professor Dr. Stephan Köhn
• Fachliche Zuordnung: Asienbezogene Wissenschaften
• Förderung: Förderung von 2016 bis 2020
• Projektkennung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 283636549

Ziel des Projekts ist die Erschließung der literarischen Figuren in den frühen Texten Nagai Kafûs auf der Basis einer umfassenden Figurenanalyse, der Herausarbeitung von Figurenmodellen und -typen sowie ihrer Kontextualisierung durch literarisch etablierte Figurentypen und zeitgenössische Menschenbilder.Im Projekt werden Texte bearbeitet, die Kafû im Zusammenhang mit seiner Reise nach Amerika und Europa in den Jahren 1903-1908 schrieb. Sie umfassen vor allem fiktionale Erzählungen, aber auch Wirklichkeitserzählungen in Form von Tagebüchern, Essays und Reiseberichten. Durch sie etablierte sich Kafû nach seiner Rückkehr in Japan als Autor, einflussreicher Modernisierungskritiker und Vermittler europäischer, v. a. französischer Literatur. Die in den Texten konzipierten Figuren lassen sich als literarische Entwürfe des modernen Menschen lesen, in denen die Begegnung mit dem Fremden, der damit einhergehende kritische Blick auf das Eigene und die Suche nach einer modernen japanischen Identität zentrale Themen sind. Es gibt eine Reihe von Forschungsarbeiten über die Texte, insb. zu Kafûs Kritik an der japanischen Modernisierung, zu biographischen Aspekten und zu den Einflüssen französischer Literatur. Die literarischen Figuren wurden bisher jedoch nicht genauer untersucht; im Gegenteil, sie wurden häufig entweder als typisiert und wenig komplex wahrgenommen und hinter andere Aspekte der Texte zurückgestellt, oder sie wurden mit der Person des Autors identifiziert und gerieten daher als mit narrativen Strategien konstruierte Figuren nicht in den Blick. Doch gerade anhand der Figuren, ihrer narrativen Konstruktion und ihren Relationen zu in der Literatur etablierten Typen und zeitgenössischen Menschenbildern lässt sich Kafûs Auseinandersetzung mit Facetten des modernen Menschen verfolgen. Das Projekt will in zweierlei Hinsicht neue Schichten der Texte offenlegen: Zum einen soll aufgedeckt werden, mit welchen Erzählstrategien und narrativen Konventionen Kafû seine Figuren konzipiert und charakterisiert, und wie er dabei Elemente aus europäischen und aus japanischen Texten verarbeitet und verbindet. Zum anderen soll herausgearbeitet werden, auf welche Weise seine Figuren mit im kulturellen Wissen verankerten und literarisch etablierten Figurentypen, beispielsweise dem Flaneur, sowie mit zeitgenössischen Menschenbildern in Beziehung stehen. Damit sollen Beiträge geleistet werden (1) zur literaturwissenschaftlichen Figurenforschung im Sinne einer post-klassisch orientierten Narratologie und (2) zum Forschungsbereich der japanischen Identitätsfindungsprozesse zu Beginn des 20. Jahrhunderts, genauer: wie sich darin Menschenbilder formieren und wie sie sich in der Literatur manifestieren.

• DFG-Verfahren: Sachbeihilfen