Quer- und längsschnittliche Analysen zur Entwicklung des Leseverhaltens, lesebezogener Einstellungen und lesebezogener Kompetenzen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Der effektive Umgang mit Schrift ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Partizipation an den sozialen, ökonomischen und kulturellen Gegebenheiten moderner Gesellschaften. Die Entwicklung lesebezogener Kompetenzen beginnt dabei bereits vor Beginn der formalen Beschulung und dauert, insbesondere im Hinblick auf die am Lesen beteiligten hierarchiehohen Verstehensprozesse, bis ins frühe Erwachsenenalter und darüber hinaus an. Die Schule stellt in diesem Entwicklungsprozess sicherlich die zentrale Vermittlungsinstanz für den Erwerb rezeptiver schriftsprachlicher Kompetenzen dar. Interindividuelle Unterschiede in der Entwicklung der Lesekompetenz lassen sich jedoch auch auf Unterschiede in den außerschulischen Lerngelegenheiten und Verhaltensweisen zurückführen. Ein zentrales Element ist dabei auch die regelmäßige Ausführung der Tätigkeit des Lesens selber. Im Projekt sollten daher ergänzend zum schulischen Lesen Forschungsfragen zur Rolle des außerschulischen Lesens, des Elternverhaltens und der Interaktion mit schulischen Angebotsstrukturen für die Entwicklung lesebezogener Einstellungen und Verhaltensweisen sowie der Lesekompetenz bearbeitet werden. Die empirischen Analysen basieren auf Daten aus der Bamberger Längsschnittstudie BiKS (Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Selektionsentscheidungen im Vorschul- und Schulalter), dem Nationalen Bildungspanel NEPS sowie der PISA-Studie. Dabei wurden unter anderem folgende zentrale Befunde herausgearbeitet: Erstens, es zeigt sich ein positiver Zusammenhang von freizeitlichem Leseverhalten/Lesevolumen und Lesekompetenz in verschiedenen Altersgruppen, das heißt bei Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe ebenso wie bei Erwachsenen. Entgegen unseren Erwartungen nimmt dieser Zusammenhang jedoch mit dem Alter nicht zu, sondern in der Tendenz sogar ab. Dafür gewinnt im Erwachsenenalter das Lesen für den Beruf zunehmend an Bedeutung für die Lesekompetenz. Zweitens, mit Blick auf die Lesemotivation verweisen unsere Befunde auf einen Zusammenhang von situativen Erfahrungen und der Entwicklung einer habituellen intrinsischen Lesemotivation. Die situativen Bewertungen konkreter Leseerfahrungen in Schule und Freizeit fallen besonders positiv beim Lesen moderner Unterhaltungsliteratur aus. Schulische Lektüre wird darüber hinaus positiver bewertet, wenn diese nicht zu schwer ausfällt. Für das Leseselbstkonzept konnte dagegen kein Zusammenhang mit dem Schwierigkeitsgrad der Lektüre gefunden werden. Dafür zeigte sich ein Zusammenhang mit der Buchlänge, das heißt, Schülerinnen und Schüler mit höherem Leseselbstkonzept wählten auch längere Bücher im Sinne höherer Seitenanzahl für das Lesen in der Freizeit aus. Drittens, mit Blick auf das außerschulische Leseverhalten sowie auf die lesebezogenen Einstellungen der Schülerinnen und Schüler lassen sich spezifische Zusammenhänge mit dem Leseverhalten sowie den lesebezogenen Einstellungen der Eltern finden. Dies verdeutlicht, dass Eltern bis in das Jugendalter hinein als sozialisierende Instanz auf die Entwicklung des Leseverhaltens ihrer Kinder wirken. Zusammenfassend bestätigen die empirischen Analysen die Annahme, dass der Aktivität des regelmäßigen Lesens für die Entwicklung interindividueller Unterschiede in der Lesekompetenz eine zentrale Bedeutung zufällt. Die Zusammenhangsanalysen von Leseverhalten, -kompetenz und -motivation verweisen jedoch auch auf die Rolle vielfältiger moderierender Variablen, zum Beispiel mit Blick auf die gelesenen Inhalte und Leseanlässe. Dieser moderierende Einfluss von Eigenschaften der gelesenen Lektüre sollte daher auch in zukünftigen Analysen ausreichend Berücksichtigung finden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2020). Lesen können - Lesen wollen. Über die Entwicklung von Lesekompetenz, Lesemotivation und Leseverhalten. Dissertation, Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Locher, F. M.
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(2016). Intergenerational continuity in attitudes toward reading and reading behavior. Learning and Individual Differences, 51, 179-188
Pfost, M., Schiefer, I. M. & Artelt, C.
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(2018). Zur Entwicklung von Gymnasiastinnen und Gymnasiasten ohne Gymnasialempfehlung. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 21 (3), 511-534
Pfost, M., Rausch, T., Schiefer, I. M. & Artelt, C.
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(2019). Erfassung des Lesevolumens in Large-Scale Studien. Ein Vergleich von Globalurteil und textspezifischem Urteil. Diagnostica 65 (1), 26-36
Locher, F. M. & Pfost, M.
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(2019). Herausforderungen und Probleme bei der Analyse von Zusammenhängen zwischen Textkomplexität und lesebezogenen Kompetenzen. Arbeitsbericht, Otto- Friedrich-Universität Bamberg
Locher, F. M., Pfost, M., Weiss, Z. & Meurers, D.
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(2019). The relation between students’ intrinsic reading motivation and book reading in recreational and school contexts. AERA Open, 5(2), 1-14
Locher, F. M., Becker, S. & Pfost, M.
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(2020). The relation between time spent reading and reading comprehension throughout the life course. Journal of Research in Reading, 43 (1), 57-77
Locher, F. M. & Pfost, M.
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(2021). Mechanisms mediating the relation between reading self-concept and reading comprehension. European Journal of Psychology in Education, 36 (1). 1-20
Locher, F. M., Becker, S. Schiefer, I. & Pfost, M.