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Die Verwaltung des Falles: Die Rekonstruktion von institutionellen Handlungsvollzügen

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2016 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 283908306
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In dem soziologischen Forschungsprojekt wurden sozialbürokratische Handlungsvollzüge untersucht und Handlungsmuster auf Basis von personenbezogenen Akten (sog. Fallakten) aus der Heimerziehung herausgearbeitet. Im Fokus stand die Rekonstruktion des Schrifthandelns von Verwaltungsakteuren mit Blick auf Prozesse der Herstellung und Verwaltung eines Falls. Als methodologische Perspektive wurde dafür ein Ansatz herausgearbeitet, der die Inkonsistenz und Lückenhaftigkeit von Akten berücksichtigt und die Herstellung eines Falls als spezifische Rekonstruktions- und Interpretationsarbeit entlang von transdokumentellen Bezügen versteht. Auf dieser Basis wurden 73 Akten aus der Heimerziehung der 1950er bis 1970er Jahre mit einem originär entwickelten Erhebungsinstrument inhaltsanalytisch ausgewertet und hieraus Entscheidungen, Legitimationsprozesse und Handlungsvollzüge herausgearbeitet. In einem komparativen Prozess wurden 19 Akten für eine weitere Feinanalyse ausgewählt. Auf dieser Basis konnte gezeigt werden, dass sich die Verwaltungshandlungen an Schlüsselentscheidungen orientieren. Hierbei handelt es sich um die Aushandlung institutioneller Übergänge, die Gestaltung kommunikativer und individueller Freiräume, die Organisation und Bewährung in Arbeits- und Ausbildungsprozessen sowie den Umgang mit Beschwerden. Diese Schlüsselentscheidungen sind dabei von situativen Aushandlungen geprägt, in denen die Entscheidungsfindung sowohl von der jeweiligen Deutungsmacht eines Akteurs bedingt ist, als auch von der Opportunität einer Handlungsoption. Insgesamt zeigt sich in den Verwaltungsprozessen ein Verhältnis von sozialbürokratischen Akteur_innen und ihren Adressat_innen, welches durch sanktionierende und kontrollierende Maßnahmen als Reaktion auf Regelbrüche und abweichendes Verhalten geprägt ist. Dabei wird ein starkes Zusammenlaufen von bürokratischen Vorgängen und Erziehungsprozessen deutlich. In der Perspektive der personenbezogenen Verwaltungsakte folgt die Durchführung von Erziehungsmaßnahmen gegenüber den in Heimerziehung untergebrachten Kindern und Jugendlichen dem Imperativ bürokratischer und regelgeleiteter Handlungsabläufe, auch wenn diese nicht erfolgreich sind.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2016): Die „Personalbeschreibung“ als Auftakt der Fallakte in der Heimerziehung. In: Christina Vanja (Hg.): Reichtum der Quellen. Vielfalt der Forschung. 30 Jahre Archiv des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen. Petersberg: Michael Imhof Verlag, S. 88–90
    Bereswill, Mechthild; Eckhardt, Lina; Müller, Patrik
  • (2018): Die administrierte Biografie in der Heimerziehung der 1950er bis 1970er Jahre. In: Elisabeth Schilling, (Hg.): Verwaltete Biografien. Wiesbaden: Springer VS. S. S. 3–25
    Bereswill, Mechthild; Müller, Patrik
  • Brüchige Medikalisierung. Gutachterliche Diagnosen und die Verwaltung des Falls in der Heimerziehung. In: Virus. Beiträge zur Sozialgeschichte der Medizin, S. 277-285
    Bereswill, Mechthild; Müller-Behme, Patrik
  • „Sie hielt es nirgends lange aus“. Geschlecht und Konstruktionen von deviantem Arbeitsverhalten. In: Mechthild Bereswill (Hg.): Geschlecht als sensibilisierendes Konzept. Weinheim: Beltz, S. 87-101
    Müller-Behme, Patrik
 
 

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