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Der Russische Hof nach Peter dem Großen (1725-1730). Eine Kulturgeschichte des Politischen

Antragsteller Dr. Lorenz Erren
Fachliche Zuordnung Frühneuzeitliche Geschichte
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2016 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 284164659
 
Auf den entschlossenen Reformer und starken Zaren Peter I. folgten bis 1762 mehrere Herrscherinnen und Herrscher, die von Zeitgenossen und Historikern gemeinhin als schwach oder gar als unfähig bezeichnet wurden und deren Regierungszeit mit der 'Epoche der Palastrevolutionen' zusammenfällt. Der Schwerpunkt wird auf die turbulenten Jahre 1725-1730 gelegt, in denen sich vier Herrscher ablösten und an deren Ende es zum Versuch kam, die Selbstherrschaft zu beschränken. Der Untersuchungszeitraum wurde kurz angesetzt, um eine umso 'dichtere' Beschreibung (C. Geertz) zu ermöglichen. Fast alles geriet in diesen fünf Jahren in Fluss: Neben mehrmaligem Herrscherwechsel erlebte Russland auch einen Wechsel der Dynastien, der Bündnissysteme und der Hauptstadt. Zwei von vier Selbstherrscherinnen waren weiblich. Man darf annehmen, dass die Beobachtung des Verhaltens der politischen Elite in einer solchen Situation ungewöhnlich tiefe Einblicke gewährt. Erforscht werden soll die politische Kultur dieser Zwischenzeit: Wo bildete sich ein politischer Wille, wer versuchte mit welchen Mitteln, diesen Willen gegen welche Widerstände durchzusetzen und wie legitimierte er sein Vorgehen? Welche Erwartungen und Vorgehensweisen müssen als typisch und welche dürfen als originell bezeichnet werden? Diesen Hauptfragen soll sich die Untersuchung von zwei Seiten her annähern: Zum einen sollen politische Ereignisse auf der Mikroebene analysiert werden, zum anderen untersucht werden, aus welchen religiösen, staatsrechtlichen, dynastischen oder sonstigen kulturellen Ressourcen Akteure Legitimation zu beziehen vermochten. Rekonstruiert werden soll in dieser Arbeit die subjektive Weltsicht der Zeitgenossen: ihre Wünsche, Hoffnungen, Vermutungen, Befürchtungen und Ängste, oder - um es in der abstrakten Sprache Reinhard Kosellecks auszudrücken - ihr 'Erfahrungsraum', ihr 'Erwartungshorizont' sowie die Differenz zwischen ersterem und letzterem. Und wo es umgekehrt darum geht, durch minutiöse Analyse von Ereignissen die Sicht der Höflinge zu rekonstruieren, muss eine nicht-teleologische Betrachtung gescheiterten Intrigen und Projekten ebenso viel Aufmerksamkeit entgegenbringen wie den geglückten. Statt voreilig Gründe anzugeben, warum manche politischen Vorhaben glückten und andere nicht, soll danach gefragt werden, worauf die Akteure ante factum ihre Hoffnung subjektiv gründeten. Generell soll unterstellt werden, dass viele Erwartungen kaum je explizit geäußert wurden, sondern den Zeitgenossen als 'selbstverständlich' bzw. als Ausdruck von 'gesundem Menschenverstand' galten, und nur durch ethnologische Beobachtung rekonstruiert werden können. Durch akribische 'Puzzle-Arbeit' sollen Umstände, Verknüpfungen, Motive und Handlungsstränge aufgespürt bzw. wieder sichtbar gemacht werden, die von der klassischen Politikhistorie übersehen, früh vergessen oder falsch gedeutet wurden.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Mitverantwortlich Professor Dr. Jan Kusber
 
 

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