Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland - Strategische Ziele, Umsetzung und Folgen der Übernahme deutscher Unternehmen durch chinesische Investoren
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Übernahme deutscher Unternehmen durch chinesische Investoren wird in Medien und Öffentlichkeit sehr kritisch diskutiert. Gleichzeitig gibt es kaum wissenschaftliche Studien zu diesem Phänomen. Die International-Business-Forschung hat sich vor allem auf die Internationalisierungsmotive und -strategien der chinesischen Unternehmen und die entsprechenden polit-ökonomischen Einbettungskontexte konzentriert. Die Perspektive der übernommenen Unternehmen und die Frage, was die Übernahme für sie bedeutet, hat in der Forschung bislang dagegen kaum eine Rolle gespielt. Hier setzte das DFG-Projekt an. Im Rahmen eines qualitativen Fallstudienansatzes wurde der Übernahmeprozess und die ‚post-merger integration‘ in deutschen Unternehmen der Maschinenbau-, Automobilzuliefer- und Solarindustrie, die von chinesischen Unternehmen übernommen worden waren, rekonstruiert. Fokussiert wurde zum einen die ‚task integration‘, d.h. das Teilen von Ressourcen und die Re-Organisation von Aktivitäten mit dem Ziel, operative Synergien zu erzeugen. Hier zeigte sich, dass die übernommenen Unternehmen mit Blick auf ihre Produkt-, Produktions- und Marktpolitiken selbstständig blieben und insgesamt auch nach der Übernahme weitestgehend autonom entscheiden konnten. Darüber hinaus haben wir die konkreten Funktionen (‚subsidiary roles‘), die die deutschen Niederlassungen innerhalb ihrer jeweiligen Muttergesellschaft übernahmen, rekonstruiert. Es handelte sich in allen Fällen um komplexe und anspruchsvolle Funktionen, die im Vergleich zu den in der Literatur bislang beschriebenen typischen ‚subsidiary roles‘ noch durch zusätzliche Aufgaben und Mandate angereichert waren. So konnten wir unter anderem die Übernahme der Aufgabe, chinesische Werke der Muttergesellschaft zu restrukturieren und zu modernisieren, beobachten. Zugleich ist dies ein spezifischer Modus von Wissenstransfer zur chinesischen Muttergesellschaft. In unseren Fällen aus dem Maschinenbau und der Automobilzulieferindustrie wurden zudem auch erhebliche Erweiterungsinvestitionen getätigt, u.a. in neue Werke. Diese Befunde stehen im Gegensatz zu der kritischen Medienberichterstattung über solche Übernahmen und sprechen nicht für das dort häufig postulierte ‚asset stripping‘. Zum anderen wurde die ‚human integration‘ rekonstruiert, d.h. die Erzeugung von Zustimmung und Kooperationsbereitschaft bei den Beschäftigten der übernommenen Unternehmen. Hier wurde untersucht, wie die Akteure in den deutschen Tochterunternehmen die Übernahme durch chinesische Investoren und die Kooperation mit der Muttergesellschaft wahrnehmen, interpretieren und nach außen darstellen und legitimieren (‚sensemaking‘ und ‚sensegiving‘ sowie ‚othering‘). Hier zeigte sich zum einen, dass die Übernahme durch einen chinesischen Investor mit Blick auf teilweise erhebliche Erweiterungsinvestitionen und die anspruchsvollen Mandate als win-win-Situation begrüßt wurde. Gleichzeitig waren aber auch deutlich abwertende, neo-koloniale Haltungen gegenüber Akteuren der chinesischen Muttergesellschaft zu beobachten, die zu interkulturellen Konflikten führten. Das Konfliktniveau nahm vor allem dort zu, wo direkte face-to-face-Kontakte und -Kooperationen häufiger wurden, z.B. im Rahmen von Restrukturierungsmandaten für chinesische Werke, und wo auf deutscher Seite wenig internationale und interkulturelle Erfahrungen bei Managern und Mitarbeitern vorhanden waren. Insgesamt zeigte sich, dass für den Ablauf der Übernahmen und die anschließenden Integrationsprozesse die Einbettung in hierarchisierende, neo-koloniale Imaginationen der Weltwirtschaft eine wichtige Rolle spielt. Ein zentraler Beitrag des Projekts zur Theorieentwicklung im Bereich der Unternehmensinternationalisierung liegt daher in dem Vorschlag, die geo-politische Einbettung von Unternehmen und deren Aktualisierung (‚enactment‘) in ‚post-merger integration‘-Prozessen durch betriebliche Akteure gleichgewichtig zu anderen, in der Forschung bislang stark gemachten Einbettungskontexten zu berücksichtigen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2021): Emerging Economy MNCs and their Geopolitical Embeddedness. In: Özkurt Ö.; Geppert M., (Eds): A Research Agenda in International Business Management; Cheltenham (UK)/Northhampton (MA): Edward Elgar
Mense-Petermann, Ursula
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(2021): Post-merger Integration and Subsidiary Roles in Chinese MNCs – The Case of Chinese M&As in Germany. In: critical perspectives on international business
Mense-Petermann, Ursula