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Sezierungen des Gesellschaftlichen. Publizistische Skizzen und die Formierung ethnografisch-soziologischer Wissensordnungen (1830-1860)

Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Förderung Förderung von 2016 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 287075175
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das DFG-Projekt untersuchte ein umfangreiches Korpus journalistisch-dokumentarischer Erzeugnisse, die mittels spezifischer Inszenierungsmöglichkeiten Wissen über Gesellschaft und Kultur organisierten und vermittelten, bevor wissenschaftliche Disziplinen wie Ethnologie, Volkskunde, Soziologie und Sozialpsychologie sich mit der empirischen Erforschung alltäglicher Lebensformen beschäftigten. Im Rahmen von vier Teilprojekten, die Beispiele aus England, Frankreich, Spanien sowie deutschsprachigen Regionen sowie Hispanoamerika berücksichtigten, untersuchte die Emmy Noether-Gruppe (1) die Entwicklung und Konsolidierung der „Gesellschaftsskizze“ auf einem expandierenden, städtisch geprägten Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt, (2) ihre narrativen, piktorialen und epistemischen Charakteristika im Zusammenhang unterschiedlicher epistemischer, politischer, presse- und sozialhistorischer sowie künstlerischer Konfigurationen, (3) die wissensbezogenen und transkulturellen Netzwerke ihrer Produktion und Distribution und (4) ihre Rolle in verschiedenen Prozessen und Formen des (auch postkolonialen) Nation Building. Die mikrohistorisch angelegten Studien konnten zeigen, dass die sozial-dokumentarischen Texte und Illustrationen ein formatives Genre zwischen Wissenschaft, Unterhaltung, Kunst und Politik bildeten, in dem die Kulturtechnik ethnografischen Repräsentierens, Deutens und Kommentierens auf eine ganz spezifische Weise eingeübt und verfeinert wurde: Im Mittelpunkt der Gesellschaftsskizze stand die visuell-verbale Dokumentation soziokultureller Erscheinungen des geographischen Nahbereichs, die durch historische, kulturvergleichende, psychologische oder politische Überlegungen essayistisch umkreist wurde. Die Skizzen bündelten folglich eine Vielfalt soziographischer Wissens- und Repräsentationsformen. Als Format einer Kulturforschung „zu Hause“ begünstigte die Gesellschaftsskizze die detaillierte wie multiperspektivische Dokumentation und Deutung sozialer Erscheinungen und Strukturen und trug durch ihre kommerzielle Orientierung und ihre pragmatische Reduktion der sozialen Welt auf wiedererkennbare Typen und Situationen auch zur Popularisierung einer kulturellen Selbstbeobachtung (primär im bürgerlich-urbanen Milieu) bei. Ausgehend vom hybriden und transnationalen Genre der Gesellschaftsskizze wurden durch das Projekt eine Vielzahl innovativer Perspektiven auf die Entwicklung soziologisch-ethnologischethnografischer Interessen angeregt, die wissenschafts-, kultur- und sozialgeschichtliche sowie literaturwissenschaftliche Ansätze und Methoden kombinieren. So wurden die Relevanz naturwissenschaftlicher Begrifflichkeiten für visuellen Wissens im 19. Jahrhundert für die Konsolidierung kultur- und sozialwissenschaftlichen Denkens bestimmt, das frühe ethnografische Selbst-Beobachten wurde als „öffentlich-demokratische“ Mode in einer sich ausdifferenzierenden urbanen Welt gedacht und es wurde der Adaptation der Gesellschaftsskizze als Medium nationaler Ikonographien in (post-)kolonialen Weltregionen nachgegangen. Die Exploration der Gesellschaftsskizze in ihrem diskursiven und sozialen Gefüge führte zu geweiteten Perspektiven auf Wissens- und Wissenschaftsgeschichte, die mit genrebezogenen und sprachlich-nationalen wie disziplinären Forschungstraditionen brechen und Impulse für eine weitere Revision einer multimedialen und transkulturellen Sozial- und Kulturforschung in Geschichte und Gegenwart versprechen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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