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Der Einfluss von Stress auf die Verarbeitung von visuellen sexuellen Stimuli (VSS) bei Männern in Abhängigkeit vom gewohnheitsmäßigen VSS-Konsum

Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung Förderung von 2015 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 288446241
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Negative Verstärkung von Pornographienutzungsverhalten durch Wegfall von negativen Gefühlen oder akutem Stress wird als zentraler Mechanismus in der Entstehung und Aufrechterhaltung der Pornographienutzungsstörung (Problematic Pornography Use, PPU) diskutiert. Um die Verarbeitungsprozesse von visuellen sexuellen Stimuli (VSS) unter akutem Stress und deren neuronale Grundlagen in Zusammenhang mit der individuellen Lerngeschichte zu untersuchen, wurde in der aktuellen Studie mit 172 gesunden männlichen Probanden ein Sexual Incentive Delay (SID) Paradigma durchgeführt. Eine Hälfte der Probanden durchlief vor dem SID Paradigma einen psychosozialen Stressor (Trier Social Stress Test, TSST), die andere Hälfte eine Placebo-Version ohne Stressinduktion. Das SID Paradigma stellt eine gute Möglichkeit dar, die Antizipations- und Konsumphasen von VSS-Verarbeitung zeitlich zu trennen und separat untersuchen. Im Hinblick auf den Einfluss von akutem Stress konnte in der aktuellen Studie festgestellt werden, dass eine starke Stressreaktion mit einer erhöhten Reaktion des Nucleus Accumbens (NAcc) auf sexuelle Ankündigungsreize in Verbindung steht. Moderationsanalysen zeigten, dass habituell höherer Konsum bei hoher Stress bedingter Cortisol Antwort mit höheren Aktivierungen dorsalen anterioren cingulären Cortex (dACC) und mit niedrigeren Aktivierungen im medialen orbitofrontalen Cortex (mOFC) assoziiert war. Besonders Männer, die viel Pornografie nutzen, scheinen unter hohem Stress mehr auf die Ankündigung sexueller Reize zu reagieren. Bezüglich der allgemeinen neuronalen Korrelate von VSS-Antizipation konnten wir in dieser Studie feststellen, dass diese bei mehr PPU-Symptomen nicht grundlegend verändert sind. Wir fanden als Haupteffekte der VSS-Antizipation neuronale Aktivierung in vielen Regionen, die mit Belohnungsverarbeitung assoziiert sind. Diese Aktivierung korrelierte nicht mit selbstberichteten PPU-Symptomen oder anderen Risikofaktoren. Stattdessen war allerdings die präferenzabhängige Aktivierung in der VSS-Konsumphase mit PPU-Symptomen assoziiert: Wir fanden zunächst, dass die Aktivierung in NAcc, Nucleus Caudatus und OFC während des Betrachtens von VSS positiv mit den individuellen Ratings zu Valenz und sexueller Erregung eben dieser VSS assoziiert war. Diese Regionen sind im Zusammenhang mit der Repräsentation subjektiver Belohnungswerte bekannt und vor allem NAcc und Nucleus Caudatus scheinen eine motivationale Komponente des Wertes abzubilden. Dieser Zusammenhang zwischen Ratings und striataler Aktivierung bei VSS-Konsum war stärker ausgeprägt bei Personen, die mehr PPU-Symptome berichteten, was auf eine stärkere Enkodierung des motivationalen Werts von VSS bei diesen Personen schließen lässt. Die Resultate dieser Studie können dazu beitragen, die Rolle von negativen und positiven Verstärkungsprozessen bei PPU besser einzuschätzen, um damit die Entwicklung von Therapieverfahren zu unterstützen. In weiteren Studien sollte die klinische Relevanz und die Frage nach Kausalität der Zusammenhänge in Längsschnittstudien untersucht werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2017). Predictors for (problematic) use of Internet sexually explicit material: role of trait sexual motivation and implicit approach tendencies towards sexually explicit material. Sexual Addiction & Compulsivity, 24, 180-202
    Stark, R., Kruse, O., Snagowski, J., Brand, M., Walter, B., Klucken, T., Wehrum-Osinsky, S.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/10720162.2017.1329042)
  • (2018). A current understanding of the behavioral neuroscience of compulsive sexual behavior and problematic pornography use. Current Behavioral Neuroscience Reports, 5, 218-231
    Stark, R., Klucken, T., Potenza, M. N., Brand, M., & Strahler, J.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s40473-018-0162-9)
  • (2018). Neural correlates of gender differences in distractibility by sexual stimuli. NeuroImage, 176, 499-509
    Strahler, J., Kruse, O., Wehrum-Osinsky, S., Klucken, T., & Stark, R.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.neuroimage.2018.04.072)
  • (2019). Attentional bias towards and distractibility by sexual cues: A meta-analytic integration. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 105, 276-287
    Strahler, J., Baranowski, A., Walter, B., Huebner, N., & Stark, R.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.neubiorev.2019.07.015)
  • (2019). Increased neural activity to emotional pictures in men with high testosteron concentrations. Social Cognitive and Affective Neuroscience, 14, 1009-1016
    Klein, S., Kruse, O., Tapia Léon, I, Stalder, T., Stark, R. & Klucken, T.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1093/scan/nsz067)
  • (2019). No sex difference found: Cues of sexual stimuli activate the reward system in both sexes. Neuroscience, 416, 63-73
    Stark, R., Klein, S., Kruse, O., Weygandt, M., Leufgens, L.K., Schweckendiek, J., & Strahler, J.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.neuroscience.2019.07.049)
  • (2019). Prevalence and determinants of problematic online pornography use in a sample of German women. Journal of Sexual Medicine, 16, 1274-1282
    Baranowski, A., Vogl, R., & Stark, R.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.jsxm.2019.05.010)
  • (2019). The Interaction of Person-Affect-Cognition-Execution (I-PACE) model for addictive behaviors: Update, generalization to addictive behaviors beyond internet-use disorders, and specification of the process character of addictive behaviors. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 104, 1-10
    Brand, M., Wegmann, E., Stark, R., Müller, A., Wölfling, K., Robbins, T.W., & Potenza, M.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.neubiorev.2019.06.032)
  • (2020). Subjective reward value of visual sexual stimuli is coded in human striatum and orbitofrontal cortex. Behavioural Brain Research, 393, 112792
    Klein, S., Kruse, O., Markert, C., Tapia León, I., Strahler, J., & Stark, R.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.bbr.2020.112792)
  • (2021). Sexual incentive delay in the scanner: Sexual cue and reward processing, and links to problematic porn consumption and sexual motivation. Journal of Behavioral Addictions, 10(1), 65–76
    Markert, C., Klein, S., Strahler, J., Kruse, O., & Stark, R.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1556/2006.2021.00018)
 
 

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