Ein Gesicht zum Lieben oder Fürchten? Ein Follow-up zu interindividuellen Unterschieden und klinischen Implikationen
Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Dieses Projekt hat untersucht, wie sich unsere Wahrnehmung von Gesichtern und Personen verändert, wenn wir über verbales Lernen von potenziellen Bedrohungen erfahren. Dazu wurden verschiedene sozial-emotionale Faktoren untersucht (z. B. emotionale Gesichtsausdrücke, Gesichtsidentität und Bilder von geliebten Menschen), die entweder als Gefahren- oder Sicherheitshinweise bzw. in bedrohlichen oder sicheren Kontexten gezeigt wurden. Perzeptuelle und Gedächtnisprozesse sowie psychophysiologische Reaktionen und offenes Verhalten wurden untersucht. Neben der Replikation früherer Befunde zur Verarbeitung von Bedrohungen und Gesichtern lassen sich mehrere wichtige Erkenntnisse aus diesem Projekt hervorheben. 1) Verbale Bedrohungshinweise führen zu einer selektiven Wahrnehmungsverarbeitung, Gedächtnisenkodierung und Aktivierung psychophysiologischer Abwehrsysteme. Dabei spielt es keine Rolle, dass das erwartete aversive Ereignis tatsächlich nie eintritt. 2) Verbales Bedrohungslernen verändert flexibel frühere Gesichts-, Personen- und Kontextbezogene Assoziationen. Die Instruktionen setzen die implizite affektive Bedeutung von Gesichtern leicht außer Kraft, z.B. können eine lächelnde Person oder sogar Bilder von geliebten Personen leicht als Bedrohungsreize erlernt werden. 3) Kontextbezogene Bedrohung oder Sicherheit verändert die Art und Weise, wie wir andere Menschen wahrnehmen und auf sie reagieren. Der Kontext hilft dabei mehrdeutige Informationen zu verstehen (z.B. einen subtilen ängstlichen Ausdruck in einer bedrohlichen Umgebung besser zu erkennen) und die Aufmerksamkeit auf abweichende und unerwartete Informationen zu lenken (z.B. ein lächelndes Gesicht in einer gefährlichen Situation). Darüber hinaus reduziert das bloße Betrachten eines Bildes einer lächelnden Person oder eines geliebten Menschen nicht die Abwehrreaktion auf den aversiven Kontext. 4) Verbale Gefahreninstruktionen führen zu überraschend dauerhaften Abwehrreaktionen, d.h. der Nachweis, dass eine Situation sicher sei ist besonders schwierig, wenn die Bedrohung rein verbal erworben wurde. 5) Diese Bedrohungs-Biases spiegeln vermutlich das Wirken funktionaler Mechanismen wider, die nur teilweise interindividuelle Unterschiede zeigen. So zeigten beispielsweise Personen mit negativen Kindheitserfahrungen eine intakte selektive Verarbeitung von Gefahrensignalen für neu erworbene Bedrohungsassoziationen, und eine transdiagnostische Stichprobe (einschließlich Borderline- und PTBS-Patient:innen) zeigte adaptive bedrohungspotenzierte Schreckreflexe. 6) Klinische Relevanz ergibt sich insbesondere im Hinblick auf das Umkehrlernen von Gefahr und Sicherheit, bei dem von einer früheren Bedrohung zu einer sicheren Bedingung gewechselt wird, während gleichzeitig ein neues Gefahrensignal etabliert wird. Hier wurde z.B. bei Menschen mit subklinischer und klinisch relevanter Angstsymptomatik eine geringere neuronale Differenzierung zwischen neuen und alten Bedrohungsreizen sowie ein verstärktes Misstrauen gegenüber eigentlich sicheren Personen beobachtet. Insgesamt ist die Rolle sozialer Lernprozesse bei der Personenwahrnehmung und dem zwischenmenschlichen Verhalten noch wenig erforscht. Hier fügen sich die Projektergebnisse zu einem integrativen neurowissenschaftlichen Modell der Gesichts- und Personenwahrnehmung als Funktion des sozialen Lernens, mit Implikationen für die klinische Forschung.
Link zum Abschlussbericht
https://doi.org/10.23668/psycharchives.21396
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Verbal instructions override the meaning of facial expressions. Scientific Reports, 8(1).
Bublatzky, Florian; Guerra, Pedro & Alpers, Georg W.
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Modulation of face- and emotion-selective ERPs by the three most common types of face image manipulations. Social Cognitive and Affective Neuroscience, 14(5), 493-503.
Schindler, Sebastian; Bruchmann, Maximilian; Bublatzky, Florian & Straube, Thomas
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Reversing Threat to Safety: Incongruence of Facial Emotions and Instructed Threat Modulates Conscious Perception but Not Physiological Responding. Frontiers in Psychology, 10.
Bublatzky, Florian; Riemer, Martin & Guerra, Pedro
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Attention and emotion: An integrative review of emotional face processing as a function of attention. Cortex, 130, 362-386.
Schindler, Sebastian & Bublatzky, Florian
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Contextual information resolves uncertainty about ambiguous facial emotions: Behavioral and magnetoencephalographic correlates. NeuroImage, 215, 116814.
Bublatzky, Florian; Kavcıoğlu, Fatih; Guerra, Pedro; Doll, Sarah & Junghöfer, Markus
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Contextual source information modulates neural face processing in the absence of conscious recognition: A threat-of-shock study. Neurobiology of Learning and Memory, 174, 107280.
Schellhaas, Sabine; Arnold, Nina; Schmahl, Christian & Bublatzky, Florian
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Threat rapidly disrupts reward reversal learning. Behaviour Research and Therapy, 131, 103636.
Paret, Christian & Bublatzky, Florian
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Watch out, he's dangerous! Electrocortical indicators of selective visual attention to allegedly threatening persons. Cortex, 131, 164-178.
Bublatzky, Florian; Guerra, Pedro & Alpers, Georg W.
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A multinomial modelling approach to face identity recognition during instructed threat. Cognition and Emotion, 35(7), 1302-1319.
Arnold, Nina R.; González, Cruz Hernán; Schellhaas, Sabine & Bublatzky, Florian
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Instructed threat enhances threat perception in faces.. Emotion, 21(2), 419-429.
Kavcıoğlu, Fatih C.; Bublatzky, Florian; Pittig, Andre & Alpers, Georg W.
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Verbal threat learning does not spare loved ones. Scientific Reports, 11(1).
Morato, Cristina; Guerra, Pedro & Bublatzky, Florian
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Aversive anticipations modulate electrocortical correlates of decision-making and reward reversal learning, but not behavioral performance. Frontiers in Behavioral Neuroscience, 16.
Bublatzky, Florian; Schellhaas, Sabine & Paret, Christian
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Social threat and safety learning in individuals with adverse childhood experiences: electrocortical evidence on face processing, recognition, and working memory. European Journal of Psychotraumatology, 13(2).
Schellhaas, Sabine; Schmahl, Christian & Bublatzky, Florian
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The mere sight of loved ones does not inhibit psychophysiological defense mechanisms when threatened. Scientific Reports, 12(1).
Bublatzky, Florian; Schellhaas, Sabine & Guerra, Pedro
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A partner's smile is not per se a safety signal: Psychophysiological response patterns to instructed threat and safety. Psychophysiology, 60(6).
Morato, Cristina; Guerra, Pedro & Bublatzky, Florian
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Incidental learning of faces during threat: No evidence for enhanced physiological responses to former threat identities. Neurobiology of Learning and Memory, 205, 107838.
Schellhaas, Sabine; Schmahl, Christian & Bublatzky, Florian
