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Der südliche Oberrhein in der Hallstattzeit. Archäologische und bioarchäometrische Untersuchungen zu Siedlungsorganisation und zur Sozialstruktur

Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2016 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 299021357
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Gegenstand des Forschungsprojekts war eine grenzüberschreitende Analyse der hallstattzeitlichen Besiedlung des südlichen Oberrheingebiets, einer geschlossenen, siedlungsfreundlichen und verkehrsgünstigen Landschaft. Dazu wurden die Fundstellen, Funde und Befunde in Katalogen, Abbildungen und Tafeln zusammengestellt, vergleichend ausgewertet und Multielement-Isotopenanalysen an menschlichen und tierischen Skelettresten durchgeführt. Insgesamt zeichnen die interdisziplinären Forschungen ein komplexes Bild der eisenzeitlichen Lebensweise beiderseits des Rheins, das eher von individuellen Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den einzelnen Siedlungs- und Bestattungsgemeinschaften geprägt war, als dass sich generelle Differenzen hinsichtlich der Lebensweise im heutigen Breisgau und im Elsass aufzeigen lassen. Ein Alleinstellungsmerkmal ist, dass der Münsterberg in Breisach von der Urnenfelder- bis in die Frühlatènezeit die Residenz der Elite bleibt, wie Siedlungsfunde und "Fürstengräber" der Stufe Ha D2 und Ha D3 sowie reiche Bestattungen der Stufe Lt A zeigen. Die Gräber mit ihren Beigaben sind Zeugnisse einer machtausübenden Elite, die ihren Reichtum und ihre Fernbeziehungen demonstriert, die von Burgund bis Slowenien und vom Mittelrhein bis Italien, Griechenland und in den Vorderen Orient reichten. Die Verteilung der Elitegräber, die übereinstimmenden Grabsitten und die gleichartige materielle Kultur implizieren, dass der "Fürstensitz" auf dem Münsterberg der Zentralort einer Region im Oberrheingraben war, die etwa dem Gebiet Breisgau und mittleres Elsass beiderseits des Rheins entspricht. Die Sr- und O-Isotopenwerte der meisten Breisgauer Bestattungen sind regionstypisch. Die wenigen ortsfremden Individuen waren in die Bestattungsgemeinschaften integriert und oft vergleichsweise reich mit überwiegend regionstypischen Beigaben und Schmuck ausgestattet. Eine ortsfremde Frau trug eine Fibel aus dem Tessin, stammte selbst wohl aber nicht aus dieser Region. Die Sauerstoff-Isotopenwerte von drei Individuen – darunter das "Fürstengrab" – implizieren die Nutzung von Trinkwasser aus dem Rhein. Gemeinsam mit den Sr-Isotopenwerten stehen sie im Einklang mit dem Aufwachsen auf dem Münsterberg, wohl als Mitglieder der auf dem Plateau ansässigen sozialen Elite. Trotz der geringen Größe des Arbeitsgebietes variieren hinsichtlich der Ernährung die C- und N-Isotopendaten der Menschenknochen stark zwischen den Fundstellen. Gründe dafür sind unterschiedliche Anteile von Hirse, Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs, aber auch ein regional unterschiedlich stark ausgeprägter Einfluss des menschlichen Wirtschaftens auf die Landschaft. Grundsätzlich ernährten sich Arm und Reich gleich. Sr-Isotopendaten von Tierzähnen aus Befunden auf dem Münsterberg sprechen für eine Haustierhaltung in vielseitigen Habitaten auf dem Plateau oder an dessen Hängen, im Kaiserstuhl, in der Oberrheinebene, aber auch im Schwarzwald und in den Vogesen, jedoch ohne saisonale Standortwechsel zwischen der Oberrheinebene und den Hochlagen. Möglicherweise wurden vom Zentralort aus Weidestationen in den Mittelgebirgen betrieben, an denen die Tiere aufwuchsen und ganzjährig lebten. Die von kleineren Siedlungen in der Oberrheinebene ausgehende Tierhaltung konzentrierte sich dagegen mehr auf das jeweilige nähere Umland in der Ebene selbst und in den Randlagen von Schwarzwald und Vogesen. Dabei kam es zu Standortwechseln innerhalb des Oberrheintals, wohl aber nicht zwischen der Ebene und den Höhenlagen. Kohlenstoffisotopendaten von Knochenkollagen sprechen für die Beweidung offener Landschaften, während Waldweide allenfalls von untergeordneter Bedeutung war. Die Sichtfeldanalysen mittels GIS in Kombination mit der Auswertung der Grabausstattungen ergaben, dass um den "Fürstensitz" auf dem Münsterberg in Breisach mit zugehörigen "Fürstengräbern" in einem Halbkreis in ca. 15 km Entfernung Höhensiedlungen mit zugehörigen herausgehobenen Bestattungen in der Funktion von Grenzstationen an Verkehrswegen lagen. Höhen- und Flachlandsiedlungen im näheren Umland von Breisach haben ebenfalls Sichtkontakt zum Münsterberg und untereinander. Das daraus ableitbare Kommunikationsnetz spiegelt die Organisation der vom Zentralort ausgehenden Kontrolle seines Machtbereiches wider. Innerhalb dieses Netzwerks ergibt sich die Frage nach dem Status der "Herren" in Höhensiedlungen im Verhältnis zu denjenigen der "Grenzstationen". Waren letztere während der Stufe Ha D1 mit dem Münsterberg Breisach um die Macht konkurrierende Rivalen? Dafür spräche z.B. der besondere Aufwand des Grabhügels Bürgle (March-Buchheim). Oder waren sie Clanmitglieder bzw. Gefolgsleute der "Fürsten" auf dem Münsterberg, die gezielt zum Ausbau des Machtbereichs und dessen Sicherung an strategisch wichtigen Plätzen eingesetzt wurden? Das Auflassen der kleinen Höhensiedlungen an Kaiserstuhl und Tuniberg spricht dafür, dass Breisach bereits in der Stufe Ha D1 seine Vorherrschaft im südlichen Oberrheingraben erfolgreich gefestigt hatte. Für die Interpretation dieser Plätze in der Siedlungsorganisation spielt ihre Lage an Verkehrswegen, der Sichtkontakt mit Breisach und der Sichtkontakt untereinander, eine auf ihre Funktion zu beziehende Rolle.

 
 

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