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Die Personalisierung der Depression. Voraussetzungen, Dynamiken und Implikationen der psychiatrischen Biomarker-Forschung

Fachliche Zuordnung Soziologische Theorie
Förderung Förderung von 2016 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 299429261
 
Die psychiatrische Forschung und Praxis orientiert sich zunehmend am Leitbild einer Personalisierten Psychiatrie. Ziel dieser Rekonfiguration psychiatrischen Wissens ist es, Diagnosen, Prognosen und Therapien nicht mehr am subjektiven Erleben und Verhalten der Patient*innen auszurichten, sondern sie auf deren spezifische biologische Eigenschaften abzustimmen. Grundlage dafür ist eine Differenzierung der Patient*innen anhand sog. Biomarker. Dies sind objektiv messbare biologische Parameter, die als Indikatoren für pathologische Prozesse oder für Reaktionen auf therapeutische Interventionen dienen. Erste Biomarker-Tests sind bereits verfügbar, weitere befinden sich in der klinischen Erprobung.Das Forschungsvorhaben nimmt erstmals eine soziologische Analyse dieses Projekts einer Personalisierten Psychiatrie vor. Im Mittelpunkt steht die explorative Untersuchung der Voraussetzungen, Dynamiken und Implikationen der psychiatrischen Biomarker-Forschung am Beispiel der Depression. Das Vorhaben geht von der These aus, dass die zunehmende Ausrichtung an Biomarkern in der Depressionsforschung nicht nur das professionelle Selbstverständnis der Psychiatrie verändert und ihre disziplinären Grenzen verschiebt, sondern auch neue institutionelle Strukturen und Handlungslogiken hervorbringt sowie gesellschaftliche Deutungsmuster von Krankheit und Gesundheit, Psyche und Körper verschiebt. Methodisch orientiert sich die geplante Studie am Forschungsstil der Situationsanalyse. Mittels Dokumenten- und Medienanalysen, Expert*inneninterviews und Ethnographien psychiatrischer Konferenzen sollen die vielfältigen technischen Voraussetzungen und forschungspraktischen Kontextbedingungen des Transformationsprozesses sowie die mit ihm verbundenen Erwartungen, Hoffnungen und Ängste soziologisch in den Blick genommen werden. In theoretischer Hinsicht zielt das Projekt auf die Konturierung einer Soziologie psychiatrischen Wissens, die einerseits an Michel Foucaults Analytik der Regierung und andererseits an die interdisziplinären Science and Technology Studies anschließt. Neben einem substanziellen Beitrag zur historischen Ontologie der Depression verspricht die Studie eine konzeptuelle Schärfung und theoretische Weiterentwicklung des Begriffs der Biomarkerisierung. Über diese wissenschaftlichen Zielsetzungen hinaus wird das Vorhaben auch zur gesellschaftlichen Selbstverständigung über das Projekt einer biomarker-basierten Personalisierten Psychiatrie beitragen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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