Kommentierte Edition des Diensttagebuchs (DTB) des Chefs des Stabes beim Chef des Allgemeinen Heeresamtes von Mai 1938 bis zum 31.12.1943 sowie der Denkschriften des Chefs der Heeresrüstung und Befehlshabers des Ersatzheeres Generaloberst Friedrich Fromm aus den Jahren 1935-1942
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das zwischen 1938 und 1943 geführte Diensttagebuch (DTB) des Chefs des Stabes beim Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres (Chef HRüstuBdE) stellt das umfassendste und detaillierteste Schlüsseldokument zur Geschichte der personellen und materiellen Rüstung des Dritten Reiches dar. Bereits den Zeitgenossen war die Bedeutung und Brisanz dieser handschriftlichen Aufzeichnungen bewusst, was dazu geführt hat, dass das Dokument durch ein persönliches Engagement 1945 vor der Vernichtung gerettet werden konnte. Die Aufzeichnungen aus dem Jahr 1944, von der Gestapo beschlagnahmt und als Prozessmaterial gegen die Angehörigen des Widerstandes verwendet, sind seit Kriegsende verschollen. Als militärische Trophäe in britischen Einrichtungen (Cabinet Office, Imperial War Museum) verwahrt, blieb seine Existenz über Jahrzehnte der historischen Forschung weitgehend verborgen. Als persönliches Merkbuch geführt, dessen Eintragungen in der Regel in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Ereignis gefertigt wurden, bildet es die überaus seltene Quellensorte, die eine Brechung durch nachzeitige Erinnerung weitgehend vermeidet. Da neben dem Verlauf und Ergebnis von Besprechungen auch Telefongespräche in ihren wesentlichen Aussagen unmittelbar aufgezeichnet wurden, wird eine ungemein dichte Darstellung der Arbeitsweise, Intensität und des Umfanges der im Bereich Chef HRüstuBdE wahrgenommenen Aufgaben erreicht. Darüber hinaus werden die Spannungen und Konflikte innerhalb der Wehrmachtführung, der Wehrmachtteile, zwischen den Ämtern des Chef HRüstuBdE und mit zivilen Einrichtungen des Dritten Reiches in vielschichtiger Weise (etwa zunehmende Nervosität, Konkurrenz, Intrigen u.a.) erkennbar. Hier bietet das DTB eine Fülle von Informationen die geeignet sind, die Diskussion über ‘Polykratie’ und ‘Neue Staatlichkeit’ im Dritten Reich zu beflügeln. Einzelne Angaben (Planungen zu ‘Walküre’) erlauben eine differenzierte Sicht auf das Verhältnis von Olbricht und Fromm in Bezug auf die Vorbereitung des Staatsstreiches. Der Verantwortungsbereich des Chef HRüstuBdE umfasste weitgehend den des traditionellen Kriegsministeriums, die nachgeordneten Wehrkreise, die Verbände des Ersatzheeres und Einrichtungen des Heereswaffenamtes. Daher erstreckt sich das Spektrum der behandelten Gegenstände von der personellen Ersatzgestellung und Ausbildung, über die Entwicklung, Erprobung und Beschaffung von Waffen, Gerät und Munition bis hin zu Fragen der Bekleidung, Verpflegung, Besoldung, der Militärjustiz und des Heeressanitäts- und Veterinärwesens. Die Transkription des Manuskriptes, das zumeist in flüchtiger Handschrift nur Stichwortangaben liefert, in dem häufig private Abkürzungen verwendet und bei längeren Worten sogar einzelne Silben ausgelassen wurden, erforderte einen erheblichen Arbeitsaufwand und erzwang eine umfangreiche Kommentierung. Im DTB tritt die in der Forschung bisher wenig beachtete Verwaltungselite der Wehrmacht in Erscheinung. Ein qualifiziertes Personenregister enthält Lebensdaten, Qualifikationen, Karriereverlauf und Dienststellungen von 2856 Beamten und Soldaten und wird etwa 300 Druckseiten füllen. Das Werk insgesamt (Text, Kommentar, Einleitung, Organigramme, ein umfangreiches Literatur- und Quellenverzeichnis, Orts- und Personenregister) umfasst ca. 3.400 Druckseiten. Es richtet sich sowohl an ein breites wissenschaftliches Publikum aus verschiedenen Fachrichtungen als auch an technikaffin Interessierte und Familienforscher.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Die bellizistische Republik. Wehrkonsens und “Wehrhaftmachung” in Deutschland 1918–1933, München 2012
Rüdiger Bergien
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Der Wehrwirtschaftsstab und die Illusion einer ›straffen Organisation‹ 1934 bis 1939/40, in: Mobilisierung im Nationalsozialismus: Institutionen und Regionen in der Kriegswirtschaft und der Verwaltung des ›Dritten Reiches‹ 1936 bis 1945. Hrsg. von Oliver Werner, Paderborn 2013, S. 87–102
Paul Fröhlich
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Die Soldaten der ‘Schwarzen Reichswehr’. Motive für den Dienst im Grenz- und Landesschutz zwischen 1918 und 1933, in: Christian Th. Müller/ Matthias Rogg (Hg.), Das ist Militärgeschichte! Festschrift für Bernhard R. Kroener, Paderborn u.a. 2013, S. 83–102
Rüdiger Bergien
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Systemstabilisierende Selbstmobilisierung? Das Allgemeine Heeresamt und die deutsche Rüstungspolitik 1934 bis 1940", in: Werner, Oliver (Hg.), Mobilisierung im Nationalsozialismus: Institutionen und Regionen in der Kriegswirtschaft und der Verwaltung des "Dritten Reiches" 1936 bis 1945, Paderborn 2013, S. 103–119
Alexander Kranz
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›Ämterchaos‹ in der Wehrmachtbürokratie? Das Allgemeine Heeresamt, das Wehrwirtschafts und Rüstungsamt und die deutsche Rüstungspolitik 1938 bis 1940, in: Das ist Militärgeschichte! Probleme – Projekte – Perspektiven. Festschrift Bernhard R. Kroener. Hrsg. von Christian Th. Müller und Matthias Rogg, Paderborn 2013, S. 135–155
Alexander Kranz, Paul Fröhlich
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Das Diensttagebuch des "Chefs des Stabes beim Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres" 1938 bis 1943, in: Hochstetter, Dorothee, Alexander Kranz (Hg.), Militärgeschichtliche Editionen heute. Neue Anforderungen, alte Probleme?, Potsdam 2014, S. 71–79
Alexander Kranz
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›Unendliche Weiten‹. Online-Editionen aus Nutzerperspektive, in: Militärgeschichtliche Editionen heute. Neue Anforderungen, alte Probleme? Hrsg. von Dorothee Hochstetter und Alexander Kranz, Potsdam 2014, S. 169–181
Paul Fröhlich, Denis Strohmeier
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Generäle auf Abwegen? Ludwig Ritter von Radlmaier, Adolf von Schell und die Rüstungsbürokratie des Dritten Reiches zwischen militärischer Tradition und „Neuer Staatlichkeit“, in: VfZ 64 (2016), S. 227–253
Alexander Kranz, Paul Fröhlich
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“Der unterirdische Kampf”. Das Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt 1924-1943, Paderborn 2018 [zugleich Phil. Diss Potsdam 2016]
Paul Fröhlich