Die Einheitslieder der deutschen Bistümer (1947) - Vom großdeutschen Entwurf zur Integrationshilfe nach Krieg und Vertreibung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die 1947 im Druck erschienenen „Einheitslieder der deutschen Bistümer“ (E-Lieder) waren der erste erfolgreiche Versuch, den Katholiken Deutschlands einen Kanon von 74 Liedern mit einheitlichen Text- und Melodiefassungen bereitzustellen. Bis dahin waren die Unterschiede zwischen den Diözesen im Liedrepertoire sowie in den Text- und Melodiefassungen so enorm, dass Angehörige verschiedener Bistümer kaum ein Lied gemeinsam singen konnten, was sich bei der Feier von gemischtdiözesanen Gottesdiensten gravierend nachteilig auswirkte. Nach einem ersten, aber gescheiterten Versuch 1916, wenigstens 23 E-Lieder zu etablieren, wurde das Problem ab den 1930er Jahren erneut virulent (Binnenmigration infolge von NS-Arbeitsdienst, Landjahr und NS-Industrialisierungsprojekten; Militärseelsorge nach Kriegsbeginn). In der Forschung wird die Bedeutung der E-Lieder von 1947 zwar zurecht hervorgehoben (sie waren ein entscheidender Schritt zur Schaffung des ersten Einheitsgesangbuchs „Gotteslob“ von 1975), doch gab es bislang nur wenige, verstreute und sich teilweise widersprechende Informationen über ihr Zustandekommen. Ziel des Projektes ist es, diese Forschungslücke zu schließen durch eine umfassende Untersuchung des 1947 eingeführten E-Lied-Kanons in seiner historischen Kontextualisierung, seiner Entstehung, seiner Gestalt und seiner Rezeption. Die Grundlage dieser Untersuchung sind bisher nicht ausgewertete Diskussionen in zeitgenössischen Zeitschriften und vor allem bisher unentdeckte Quellen (Archivmaterial). Die Auffindung von Archivmaterial gelang in einem überraschend großen Maße, wie es für diese Zeit nicht zu erwarten war. Als besonderer Glücksfall erwiesen sich die im Bistumsarchiv Trier gefundenen 25 Aktenbände des E-Lied-Kommissionsleiters Weihbischof Heinrich Metzroth, der nahezu jedes Dokument, das mit den E-Liedern zu tun hatte, zu den Akten nahm, die den Krieg unbeschädigt überstanden. Die Trierer Akten umfassen Korrespondenzen, Sitzungsprotokolle, Arbeitspapiere, Besprechungsniederschriften, Vorarbeiten verschiedener Fachleute, Zwischenstufen der Kanonbildung etc. Zusammen mit zahlreichen weiteren Archivquellen, die die Vorgeschichte, die Positionen repräsentativer Diözesen sowie die persönlichen Einschätzungen der Kommissionsmitglieder dokumentieren, entsteht ein lebendiges Bild über die widerstreitenden Interessen bei der Schaffung des E-Lied-Kanons. Die Qualität und die Menge des im Projektverlauf entdeckten Aktenmaterials legte es nahe, vom ursprünglichen Plan einer den E-Lied-Kanon 1947 und seine Entstehung beschreibenden Monographie abzuweichen und stattdessen die zum Verständnis der E-Lied-Arbeit wichtigsten Dokumente in einer kommentierten, auf 2 Bände angelegten Auswahl-Edition zu präsentieren.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Die Einheitslieder der deutschen Bistümer 1916 und 1947, in: Liturgie und Kultur. Zeitschrift der Liturgischen Konferenz für Gottesdienst, Musik und Kunst 3 (2018), 37–52
Andrea Ackermann
- Integration oder Assimilation? Die Haltung der westdeutschen Bistümer zum Liedgut der heimatvertriebenen Katholiken nach 1945, in: Liturgie und Kultur. Zeitschrift der Liturgischen Konferenz für Gottesdienst, Musik und Kunst 3 (2018) 53–70
Ansgar Franz / Christiane Schäfer
- „…wonach wir alle die Hände ringen, ist, das kirchliche Gesangbuch für das kleine Oesterreich…“ (Vinzenz Goller, 1924). Das St. Pöltner Diözesangesangbuch von 1931 im Kontext früher Bemühungen um ein (österreichisches) Einheitsgesangbuch, in: Protokolle zur Liturgie 8 (2018/2019), 100–132
Andrea Ackermann
- Verschlossene Türen. Die Liedwanderungen zwischen der katholischen und der evangelischen Kirche vom 16. bis zum 20. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie (2021)
Ansgar Franz / Christiane Schäfer
(Siehe online unter https://doi.org/10.13109/9783666557989.223)