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Semantische Beschränkungen der Interrogativeinbettung
Antragsteller
Professor Dr. Clemens Steiner-Mayr
Fachliche Zuordnung
Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Förderung
Förderung von 2016 bis 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 314523601
Die meisten Sprachen betten sowohl Deklarativ- als auch Interrogativsätze ein. Die deutschen Prädikate `wissen' und `glauben' in `Hans weiß / glaubt, dass Maria' raucht z.B. betten den Deklarativ `dass Maria' raucht ein. Aber nur wissen in `Hans weiß / *glaubt, wer raucht' kann den Interrogativ `wer raucht' einbetten. In der theoretischen Linguistik erklärte Grimshaw (1979, Linguistic Inquiry) solche Daten durch die Postulation von `S-Selektion'. Prädikate sind lexikalisch spezifiziert in Bezug auf die von ihnen einbettbaren Satztypen. Dieser Vorschlag ist weithin akzeptiert und bis heute gültig. Adger & Quer (2001, Language) weisen jedoch auf eine Schwierigkeit hin (cf. Eckardt 2007, in On Information Structure, Meaning and Form). `Sicher sein' kann z.B. Interrogative nur bei Negation einbetten: `Hans ist sich nicht / *ist sich sicher wer raucht'. Es ist aber nicht klar, wie der linguistische Kontext die lexikalisch determinierte S-Selektionseigenschaft von `sicher sein' beeinflussen soll. Als Antwort auf dieses Problem sucht das vorliegende Projekt einen neuen Zugang zu eingebetteten Interrogativen: es fragt, ob letztere negativen Polaritätselementen ähnlich sind und daher ihre Verteilung ähnlich beschränkt ist. Eine kompositionale Semantik, die auf einer grammatikalisierten Pragmatik beruht (Fox 2007, in Presupposition and Implicature in Compositional Semantics, Chierchia 2013, Logic in Grammar), lässt uns Interrogativeinbettung unter `sicher sein' verstehen: ohne Negation kommt es zu einem Widerspruch und daher Inakzeptabilität, aber nicht so mit Negation. Dies erlaubt eine neue Perspektive auf Interrogativeinbettung. Man kann nicht länger sagen, dass ein Prädikat diese zulässt oder nicht. Vielmehr muss die Eigenschaft des gesamten linguistischen Kontextes betrachtet werden: die Kombination der lexikalischen Bedeutung eines Prädikats und der so genannten Polaritätseingeschaft des einbettenden Satzes beeinflussen Einbettung. Dies hat zu Konsequenz, dass S-Selektion nicht mehr gebraucht wird. Dieser Blickwinkel erklärt viele bis dato schlecht verstandene Daten. Um dies zu erreichen untersucht das Projekt im Detail, wie die lexikalische Semantik von Prädikaten Interrogativeinbettung beeinflusst. Die Faktivität von `wissen' hat zum Beispiel zur Folge, dass Interrogative ungeachtet der Polarität des Satzes eingebettet werden können. Die neg-raising Eigenschaft von `glauben' hingegen bewirkt genau das Gegenteil. Das Projekt untersucht des Weiteren, welche linguistischen Kontexte ausser Negation Einbettung beeinflussen. Dies liefert z.B. eine Erklärung für das komplexe semantische Verhalten von Kommunikationsverben wie `sagen' bei Interrogativeinbettung. Um das vorgeschlagene System kritisch zu evaluieren wird eine sprachübergreifende Untersuchung von Interrogativeinbettung durchgeführt. Durch die Bündelung dieser Forschungsfragen liefert das Projekt eine neue generelle Semantik der Einbettung von Deklarativ- und Interrogativsätzen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen