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Der Begriff der Materie bei Aristoteles

Fachliche Zuordnung Geschichte der Philosophie
Förderung Förderung von 2016 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 314667317
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Es besteht ein breiter Konsens, dass Aristoteles den Begriff der Materie vor allem einführt, um substantielle Veränderungen konsistent erklären zu können. Es ist jedoch umstritten, welche Rolle er der Materie hierbei zuschreibt. Gemäß einer traditionellen Interpretation persistiert die Materie, während sie eine substantielle Form annimmt oder verliert. Eine alternative Interpretationslinie weist dagegen darauf hin, dass sich Aristoteles zufolge substantielle Veränderungen strukturell erheblich von akzidentellen Veränderungen unterscheiden, insbesondere, weil bei ihnen kein persistierendes Substrat vorliegt. Dieser Interpretationslinie zufolge persistiert Materie also bei substantiellen Veränderungen gerade nicht; vielmehr ist sie eine Entität, aus der eine neue Substanz hervorgehen kann und die diesen Prozess nicht übersteht. Beide Interpretationen lassen sich meines Erachtens nicht mit Aristoteles’ Beschreibungen des Entstehens von Tieren und Pflanzen vereinbaren. Insbesondere seine Beschreibung des Entstehens von Embryonen aus Menstruationsblut kann weder mit der traditionellen noch mit der alternativen Interpretationslinie in Einklang gebracht werden. In De generatione animalium identifiziert Aristoteles die präexistente Materie von Lebewesen mit der Menstruationsflüssigkeit, aus der sie hervorgehen. Sobald der Samen des Männchens (die Bewegungsursache) darin eine Seele (die Formursache) hervorgebracht hat, spricht Aristoteles allerdings nicht von Menstruationsflüssigkeit, sondern von einem lebendigen Körper mit funktionalen Organen. Dies deutet darauf hin, dass seiner Meinung nach die Materie während substantieller Veränderung weder persistiert (d.h. dieselbe Entität bleibt) noch ihre Existenz einbüßt, sondern eine drastische Transformation durchläuft. Aus einer bestimmten Menge an geeignetem Material wird ein funktional organisierter Körper, der einen neuen Namen und neue Identität besitzt. Dies ist innerhalb einer hylomorphistischen Ontologie nötig, um eine präzise Entsprechung von Materie und Form zu gewährleisten. Wenn meine Interpretation richtig ist, ist die Aristotelische Materie ein Kontinuitätsgarant bei substantiellen Veränderungen, erfüllt jedoch nicht die Persistenzkriterien, die für Substanzen (Pferde, Menschen) gelten.

 
 

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