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Optimale Steuerungsprobleme mit unendlichem Zeithorizont mit Anwendungen in der Biomedizin: Modelle, Optimalitätsbedingungen, numerische Lösungen.

Antragstellerin Dr. Valeriya Lykina
Fachliche Zuordnung Mathematik
Förderung Förderung von 2016 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 320486431
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Aus grundlagentheoretischer Sicht wurden im vorliegenden Projekt Steuerungsprobleme mit unendlichem Zeithorizont und isoperimetrischen Nebenbedingungen untersucht. Die Herleitung der notwendigen Optimalitätsbedingungen sowie der Beweis eines Existenzsatzes für die gewählte Grundaufgabe stellen die wichtigsten theoretischen Resultate des Projekts dar. Es ist gelungen die notwendigen Optimalitätsbedingungen in Form eines Pontryaginschen Maximumprinzips für Steuerungsprobleme mit linearer Dynamik und linearer gemischter isoperimetrischen Nebenbedingung mittels eines Trennungsargumentes herzuleiten. Desweiteren wurde ein Existenzsatz für die Aufgabenklasse mit gemischter isoperimetrischer Nebenbedingung durch die Anwendung des verallgemeinerten Weierstraÿschen Satzes bewiesen. Die Vorteile und Herausforderungen des funktionalanalytischen Zuganges in den gewichteten Funktionenräumen wurden diskutiert, analysiert und systematisiert, wobei einige Weiterentwicklungsmöglichkeiten und Modellierungsspielräume aufgezeigt wurden. Die anwendungsspezischen Untersuchungen im Rahmen des Projekts beinhalten die komplette mathematischtheoretische und numerische Analysis eines konkreten Steuerungsproblems der optimalen Chemotherapie mit der Setzung des unendlichen Zeitintervalls als Planungsintervall. Es wurde ein bilineares dynamisches Zellwachstumsmodell (ein 3-Kompartment Modell) mit zwei therapeutischen Agenten, einem cytotoxischen (tötenden) und einem cytostatischen (blockenden) Therapeutikum, und einem linear-quadratischen Schadensfunktional angesetzt. Dabei wurden die theoretischen Resultate wie zum Beispiel der Existenzsatz auf das Anwendungsproblem angewandt. Anschliessend wurden mittels des Software Pakets OCMat die numerische Analysis für verschiedene Parametersets durchgeführt, optimale Lösungen ermittelt und auf zu Grunde liegende Struktur hin analysiert. Der Vergleich der Lösungsstrukturen der Probleme (PT) (P∞) hat ergeben, dass für grosse Tumore eine Ähnlichkeit der optimaund len Steuerungen in dem Sinne besteht, dass für (P∞) zunächst eine maximal mögliche Dosierung des cytotoxischen Präparats optimal ist und dann ein langsames Abklingen der Dosierung auf ein mittleres Niveau. Für (PT) ist ein Abklingen auf Null-Niveau optimal. In beiden Aufgaben verhalten sich die optimale Dosierungen des cytostatischen, also blockenden Präparats, ähnlich zueinander, nämlich zunächst langsam ansteigend auf ein "mittleres Niveau" und dann nach einer Weile auf diesem Niveau wieder ziemlich schnell asymptotisch strebend gegen Null. Startet man mit einem kleinen Tumor im Vergleich zu dem Gleichgewicht des dynamischen Systems, so ändert sich die Struktur der optimalen Lösung drastisch im Vergleich zu der Lösung von (PT). Es erweist sich nämlich als falsch, abzuwarten und nichts zu unternehmen, sondern es ist optimal die Dosierung des cytotoxischen Präparats langsam anzuheben auf ein niedriges Niveau und nahe diesem Niveau zu verbleiben. Im Hinblick auf die nicht-toxische Langzeittherapien zeigen die Forschungsergebnisse, dass es durchaus Parameterkonstelationen des zugrundeliegenden dynamischen Systems gibt, unter denen niedrig-dosierte kontinuierliche Langzeitbehandlungen zu optimalen Tumorbekämpfungsergebnissen führen. Ist die Grösse des Tumors vergleichbar mit dem Niveau des systemischen Gleichgewichts, so muss die Dosierung des toxischen Therapeutikums nicht auf maximal tolerierbare Dosis ansteigen, und das blockende Therapeutikum verschwindet gar. Für alle betrachteten Parameterkonstellationen im Problem mit unendlichen Zeithorizont konvergieren die optimalen Zustandstrajektorien gegen das Niveau eines stabilen nichttrivialen Gleichgewichts und nicht gegen das instabile Null-Equilibrium, wie man es vermuten würde. Es wird also das Gleichgewicht vom Typ "koexistent" angesteuert, in dem Tumorzellen und die gesunden Zellen ges Körpers koexistieren können, ohne dass der Körper stirbt. Eine Phasenportraitanalyse des optimal gesteuerten Systems für verschiedene "Medikamentenbudgets" wurde ebenfalls erfolgreich durchgeführt. Die Forschungsergebnisse konnten in vier wissenschaftlichen Publikationen in renommierten Zeitschriften präsentiert sowie im Rahmen von zwei internationalen Tagungen vorgestellt werden. Eine Kooperation mit der Arbeitsgruppe ORCOS der TU Wien, in deren Rahmen nun eine Erweiterung des open-source OCMat Software Pakets für isoperimetrisch-beschränkte Steuerungsprobleme mit unendlichem Zeithorizont entwickelt worden ist, stellt ebenfalls einen erheblichen wissenschaftlichen Gewinn dar.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2017): Weighted functional spaces approach in innite horizon optimal control problems: A systematic analysis of hidden advantages and opportunities. Journal of mathematical Analysis and Applications, Volume 454, Issue 1, 195 - 218
    Lykina V.; Pickenhain, S.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.jmaa.2017.04.069)
  • (2018) : Existence Theorem for Innite Horizon Optimal Control Problems with Mixed Control-State Isoperimetrical Constraint. In: Lirkov I., Margenov S. (eds.) Large-Scale Scientic Computing. LSSC 2017. Lecture Notes in Computer Science, Vol. 10665. Springer, Cham
    Lykina, V.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-319-73441-5_24)
  • (2018): Innite horizon cancer treatment model with isoperimetrical constraint: existence of optimal solutions and numerical analysis. International Journal of Control
    Grass, D; Lykina, V.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/00207179.2017.1396362)
  • (2018): Pontryagin Type maximum Principle for budget-constrained innite horizon optimal control problems with linear dynamics, Journal of mathematical Analysis and Applications 457, Issue 2, pp. 1591 - 1612
    Lykina V.; Pickenhain, S.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.jmaa.2017.08.002)
 
 

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