Jüdische Wege in die Architektur. Deutsch-jüdische Architekten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Religionswissenschaft und Judaistik
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Projekt wurden die Wege von Jüdinnen und Juden in das Berufsfeld Architektur im Deutschen Reich erforscht - von Praktika über die Hochschulen bis in die Architekturbüros. Im Fokus standen vor allem jene Architekten und Architektinnen, die in ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wirkten oder in den letzten Jahren des Kaiserreichs ihre Ausbildung absolvierten und noch erste berufliche Erfolge im Deutschen Reich erzielen konnten. Sie waren für die Entwicklung der Architektur im 20. Jahrhundert von herausragender Bedeutung. Untersucht wurden verschiedene Zugänge zum Berufsfeld - Baugewerkeschulen, Technische Hochschulen und Kunsthochschulen. Nur in Einzelfällen lassen sich die Gründe für die Berufswahl nachvollziehen, wenn etwa Architekten oder Bauunternehmer als nahe Verwandte nachweisbar sind. Erste Netzwerke entstehen schon an den Ausbildungsstätten und umfassen sowohl Lehrer als auch Kommilitonen. Einige dieser Verbindungen brechen ab, andere lassen sich über längere Zeiträume verfolgen. Mikrostudien zu einzelnen Hochschulstandorten blicken auf die jüdischen Studierenden, deren Lehrer, belegte Fächer, Studienwechsel etc. Die systematische Durchsicht von Immatrikulationsbüchern führte zur Entdeckung zahlreicher weiterer jüdischer Architekten, die bislang in der Forschung nicht bekannt gewesen waren. Durch genealogische Forschung konnte der Verbleib zahlreicher Architekten und Architektinnen geklärt werden - einem großen Teil gelang in der Zeit des Nationalsozialismus die Flucht ins Ausland. Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der Untersuchung der Wege jüdischer Architekten in die freiwillige und spätestens ab 1933 erzwungene Emigration. Hier spielten Fragen nach der Wahl der Exilländer, und inwiefern Netzwerke bei der Flucht helfen konnten, eine große Rolle. Zudem wurde untersucht, wie und mit wessen Unterstützung die berufliche Laufbahn in der Emigration fortgesetzt wurde (oder neue Wege eingeschlagen wurden) und wie manchen Architekten auf die Unterstützung ihrer deutschen Netzwerke zurückgreifen konnten. In Teilen konnten diese deutschen Netzwerke sich sogar in die Emigration verlagern und weiter funktionieren. Netzwerkknotenpunkte jüdischer Architekten können Hochschulen, Architekturbüros und Vereine, aber auch Bauprojekte oder sogar einzelne Personen (z.B. Professoren) sein. Eine umfangreiche Datenbank mit fast 4.000 Personeneinträgen macht sie nun erstmals sichtbar. Die Datenbank enthält biografische Daten, Werkverzeichnisse und Kontaktpersonen von 1.199 jüdischen Architekten und 73 Architektinnen, zudem 296 jüdischen Bauingenieuren (davon 3 Frauen) und 2.274 weiteren Personen (u.a. von nichtjüdischen Architekten, Künstlern, Auftraggebern, Bauunternehmern, Verwandten und Bekannten). Eingepflegt sind außerdem 5.355 Bauten, an denen jüdische Architekten mitgewirkt haben. So kann nun erstmals veranschaulicht werden, wie eng jüdische Architekten in der allgemeinen Architekturszene vernetzt waren, aber auch wie weit gespannt das parallel dazu bestehende jüdische Netzwerk war, das mit der Machtergreifung der NSDAP immer wichtiger und für nicht wenige sogar überlebensnotwendig wurde.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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„Architekt, Fotograf und Kosmopolit: Zdenko von Strizic und das Institutsgebäude für Stahlbau und Statik“, in: ACHTUNG modern! Architektur zwischen 1960 und 1980, hrsg. v. Ulrich Knufinke und Norbert H. Funke, Petersberg 2017, S. 148–153
Ulrich Knufinke
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„Erich Mendelsohns Projekte im Rheinland“, in: Josef Rings und Erich Mendelsohn: Neues Bauen in Deutschland und Palästina-Erez Israel, hrsg. v. Micha Gross und Ines Sonder, Tel Aviv 2018, S. 128–131, (Englisch S. 136–140)
Ulrich Knufinke
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„Jüdische Wege in die Architektur“, im Rahmen der Tagung „Myra Warhaftig – Architektin und Bauforscherin. Wissenschaftliches Symposium in Erinnerung an die Architektin und Bauforscherin Myra Warhaftig (1930-2008)“, 17.–18. Mai 2018 in Berlin, Technische Universität
Katrin Keßler & Ulrich Knufinke
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“A melting pot of Modernity: The International Style in Tel Aviv and Jerusalem before the founding of Israel”, in: More than Bauhaus: The White City Tel Aviv, hg v. Universität Mainz, Regina Stephan, Mainz 2019, S. 52–61
Ulrich Knufinke
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“Modernity in a time capsule: an apartment in the Kiryati House in Tel Aviv”, in: More than Bauhaus: The White City Tel Aviv, hg v. Universität Mainz, Regina Stephan, Mainz 2019, S. 86–89
Ulrich Knufinke
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“The eternal youth of modernism. Aspects of cultural heritage conservation in Tel Aviv-Yafo”, in: More than Bauhaus: The White City Tel Aviv, hrg v. Universität Mainz, Regina Stephan, Mainz 2019, S. 128–131
Ulrich Knufinke
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“The Kiryati House and its architect Shmuel Mestechkin”, in: More than Bauhaus: The White City Tel Aviv, hg v. Universität Mainz, Regina Stephan, Mainz 2019, S. 79–85
Katrin Keßler & Vladimir Levin
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„Ausbildungs- und Karrierewege jüdischer Architekten in der Weimarer Republik und in der Emigration: Überlegungen zu einem offenen Feld“, in: Vermittlungswege der Moderne – Neues Bauen in Palastina (1923–1948), hrsg. v. Jörg Stabenow, und Ronny Schüler, Berlin 2019, S. 117–126
Ulrich Knufinke
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„Wilhelm Ze’ev Haller – ein jüdischer Architekt in Deutschland und Palastina. In: Wilhelm Ze’ev Haller. Modern Architecture, hrsg. v. Wolfgang Hocquel u.a., Leipzig/Tel Aviv 2019, S. 14–57
Ulrich Knufinke
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„Der Hamburger Israelitische Tempel und seine Architektur“, in: Der Israelitische Tempel in Hamburg (= Archiv aus Stein, Bd. 7), Oktober 2020, S. 25–42
Ulrich Knufinke & Mirko Przystawik
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„Jüdische Wege in die Architektur“, in: Myra Warhaftig – Architektin und Bauforscherin. Wissenschaftliches Symposium in Erinnerung an die Architektin und Bauforscherin Myra Warhaftig (1930-2008), 17.-18. Mai 2018 in Berlin, hrsg. v. Günter Schlusche, Ines Sonder und Sarah Gretsch, Berlin 2020, S. 87–95
Katrin Keßler & Ulrich Knufinke
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Jewish Architects – Jewish Architecture? (= Schriftenreihe der Bet Tfila – Forschungsstelle, Bd. 12) Petersberg 2021, ISBN 978-3-7319-1161-6
Andreas Brämer, Katrin Keßler, Ulrich Knufinke & Mirko Przystawik
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Jewish Architects – Jewish Architecture? (= Schriftenreihe der Bet Tfila – Forschungsstelle, Bd. 12), Petersberg 2021 ISBN 978-3-7319-1161-6
Andreas Brämer, Katrin Keßler, Ulrich Knufinke & Mirko Przystawik
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Jewish Architects – Jewish Architecture? Biographical Studies and Architectural History as an Interdisciplinary and International Field of Research”, S. 11–20 In: Jewish Architects – Jewish Architecture? Petersberg 2021
Ulrich Knufinke
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„Altenheime, Schulen, Friedhöfe – Jüdisches Bauen jenseits von Synagogen.“, Vortragsreihe des IGdJ „Jüdisches Bauen II“, 26. Mai 2021
Katrin Keßler & Alexandra Klei
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„Die Bornplatzsynagoge und ihr jüdischer Architekt Semmy Engel“, Vortragsreihe des IGdJ „Jüdisches Bauen II“, 8. Juni 2021
Mirko Przystawik
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„Jewish Architects and Their Networks. The Example of the Zionist Architect Richard Michel”, S. 61–68 In: Jewish Architects – Jewish Architecture? Petersberg 2021
Katrin Keßler
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„Jewish Architects and Their Networks. The Example of the Zionist Architect Richard Michel”, S. 61–68 In: Jewish Architects – Jewish Architecture? Petersberg 2021
Katrin Keßler
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„Jüdische Wege in die Architektur. Die Eroberung eines „neuen“ Berufsfeldes“, in: Jüdische Geschichte und Gegenwart in Deutschland. Aktuelle Fragen und Positionen, hrsg. v. MiQua, Köln 2021, S. 120–131
Katrin Keßler
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„Jüdische Wege in die Architektur. Die Eroberung eines „neuen“ Berufsfeldes“, Vortrag im Rahmen der Online-Tagung „Jüdische Geschichte und Gegenwart in Deutschland. Aktuelle Fragen und Positionen", MiQua Köln, 12.–13. April 2021
Katrin Keßler
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„Careers of Jewish Women in Design and Architecture in Germany in the First Half of the 20th Century“. Konferenz der European Association for Jewish Studies, Frankfurt, 17. Juli 2023
Katrin Keßler & Ulrich Knufinke
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„Networks of Jewish Architects in the First Half of the Twentieth Century in Germany”. Konferenz der European Association for Jewish Studies, Frankfurt, 17. Juli 2023„Networks of Jewish Architects in the First Half of the Twentieth Century in Germany”. Konferenz der European Association for Jewish Studies, Frankfurt, 17. Juli 2023
Mirko Przystawik
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„Semmy Engel, Ernst Friedheim und die Bornplatzsynagoge in Hamburg“, in: Die Große Synagoge am Bornplatz in Hamburg. Beiträge zu Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Areals als jüdisches Kulturerbe, hrsg. v. Andreas Brämer und Ulrike Fauerbach, Petersberg 2023, S. 10–20
Mirko Przystawik
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Die Große Synagoge am Bornplatz in Hamburg. Beiträge zu Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Areals als jüdisches Kulturerbe (Kleine Schriften der Bet Tfila – Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa, Bd. 5), Petersberg 2024 ISBN 978-3-7319-1351-1
Andreas Brämer & Ulrike Fauerbach
