Detailseite
Die Wahl von Latein und Altgriechisch als schulische Fremdsprachen: Eine Distinktionsstrategie der oberen sozialen Klassen?
Antragsteller
Professor Dr. Jürgen Gerhards; Professor Dr. Ulrich Kohler
Fachliche Zuordnung
Empirische Sozialforschung
Förderung
Förderung von 2016 bis 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 321602695
Obwohl Latein und Altgriechisch nicht mehr gesprochen werden undinsofern keinen unmittelbaren Nutzen für die Verständigung zwischenMenschen haben, ist in Deutschland der Anteil der Schüler, die sich für den Erwerb dieser Sprachen entscheiden, imZeitverlauf angestiegen (Statistisches Bundesamt). Das vorgestellteProjekt geht daher der Frage nach, warum sich Schüler bzw. derenEltern in einer globalisierten Gesellschaft entgegen einervermeintlichen ökonomischen Rationalität gegen das Erlernen modernerSprachen (Englisch, Spanisch oder Französisch) und für den Erwerb vonSprachen entscheiden, die nicht mehr gesprochen werden.Zur Erklärung des Phänomens greift das Projekt auf Elemente derKlassentheorie von Pierre Bourdieu sowie auf handlungstheoretischeModelle der soziologischen Erklärung zurück und überprüft dieabgeleiteten Hypothesen empirisch. Bei den zu untersuchendenHypothesen konzentriert sich das Vorhaben auf Prozesse der"Distinktion", der "Exklusion" und der "Prätention". Es wird vermutet, dassdie mit kulturellem Kapital privilegierten Klassen in der Wahl vonLatein und Altgriechisch die Möglichkeit zur Distinktion und Exklusionsehen. Durch das Signalisieren einer Präferenz für nutzenfreie Bildungsoll die soziale Herkunft und der damit assoziierte hochkulturelleLebensstil dargestellt und hieraus Distinktionsgewinne erzieltwerden. Durch diskursiven wie institutionellen Ausschluss derniedrigeren Klassen aus humanistischer Bildung entsteht zudem einExklusionsnutzen, welcher sich aus einer sozial selektivzusammengesetzen Schülerschaft ergibt. Im Rahmen von Prätentionkopieren die Angehörigen der mittleren Klassen die Verhaltensweisender dominierenden Klasse, doch Inkorporieren sie dieseVerhaltensweisen in ihre eigene, stärker an Verwertung orientierteLogik und entscheiden sich für Latein um positive Transfereffekt zurealisieren.Zur Überprüfung der Annahmen wird eine Befragung an ausgewähltenSchulen vorgeschlagen. Die Auswahl der Schulen und die erhobenenInformationen erlauben es, die vorgeschlagenen Erklärungsfaktorenvoneinander zu trennen und dabei zudem die regional unterschiedlicheOpportunitätsstruktur zu kontrollieren.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen