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Transkulturelle Urbanität in der syrischen Wüstensteppe. Resafa vom 1. bis zum 13. Jahrhundert n. Chr.

Fachliche Zuordnung Klassische, Provinzialrömische, Christliche und Islamische Archäologie
Alte Geschichte
Architektur, Bau- und Konstruktionsgeschichte, Bauforschung, Ressourcenökonomie im Bauwesen
Förderung Förderung von 2017 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 322407976
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die heute noch vorzüglich erhaltene spätantik-frühislamische Pilgerstadt Resafa, in der Wüstensteppe Nordsyriens, 25 km südlich des Euphrats gelegen, war seit dem 5. Jahrhundert n. Chr. eines der bedeutendsten Pilgerziele des östlichen Mittelmeerraumes. Nach Aussage der Heiligenvita entwickelte sich der "locus sanctus" an der Stelle eines spätantiken Limeskastells, nachdem der römische Reiteroffizier Sergios dort im frühen 4. Jahrhundert das Martyrium erlitten hatte. Der Platz behielt auch in islamischer Zeit seine herausragende Bedeutung als religiöse Stätte, aber auch als Residenz des Umaiyaden-Kalif Hisham b. Abd al-Malik (105/724–125/743) bei. Der kultische Mittelpunkt der südlich der antiken Stadt eingerichteten frühislamischen Residenz, die Große Moschee, lag in direkter Verbindung zum christlichen Pilgerheiligtum. Mit dieser besonderen Voraussetzung nimmt Resafa zugleich eine Schlüsselrolle für Fragen der Kontinuität zwischen Spätantike und islamischer Zeit in Syrien ein. Die bis 1952 zurückreichenden Feldforschungen in Resafa gehören zu den größten archäologischen Vorhaben in Syrien, weshalb die im Rahmen des DFG-Vorhabens durchgeführten Forschungen auf eine breite Datenbasis des beim Deutschen Archäologischen Instituts angesiedelten Projekts rekurrieren konnten, und erstmals zusammenfassenden kulturhistorischen Fragestellungen gewidmet waren. Im Zentrum des Erkenntnisinteresses standen Fragen der Siedlungs- und Stadtbaugeschichte, der Außenverbindungen und Netzwerke der Pilgerstadt, aber auch die Definition der Protagonisten, die den Entwicklungsprozess von einer militärischen Befestigung zu einer Pilgerstadt und frühislamischen Residenz maßgeblich beeinflussten. In enger Verbindung damit stand die Frage nach der Bedeutung des Sergioskultes und seines zentralen Heiligtums im Spannungsfeld der Großmächte Rom und Persien und den Protagonisten einer dimorph organisierten Gesellschaft lokaler Bevölkerungsgruppen. Die im Rahmen des Projekts gewonnenen Ergebnisse machten deutlich, dass aufgrund der schwierigen und komplexen bevölkerungs-, religions- und allgemeinpolitischen Situation an der Ostgrenze des römischen Reiches das Martyrium des Sergios vermutlich im 5. Jh. gezielt inszeniert und instrumentalisiert wurde. Sergios als Reiteroffizier war in besonderer Weise geeignet, um mit dem Kult auch die dimorph lebenden und in wechselnden Allianzen mit Rom und dem Perserreich agierenden lokalen Gruppen an Rom zu binden. Erst die Verehrung des Heiligen, nicht nur durch den byzantinischen Kaiser, sondern auch durch arabische Lokalfürsten, auswärtige Könige und Würdenträger war jedoch die Voraussetzung für den Aufstieg zu einem "Reichsheiligen" und zum religionspolitischen Bezugspunkt für den umaiyadischen Kalifen Hisham. Hier, wie auch bei der Neuinterpretation eines Repräsentationsbaus des ghassanidischen Föderaten der Römer Al-Mundir-Baus zeigte sich, dass eine Trennung von sakral-religiöser und politisch-profaner Welt in der ausgehenden Antike kaum möglich ist, und auch die Positionierung der umayiadischen Moschee in unmittelbarer Nähe zur Sergiosbasilika primär im Hinblick auf die Funktion der Moschee als politischem und religiösem Ort, Platz des Gottesfriedens und geschützte Begegnungsstätte interpretiert werden muss. Im Rahmen der vergleichenden siedlungsgeschichtlichen Untersuchungen konnte zudem gezeigt werden, dass die Befestigungen an diesem römischen Grenzabschnitt innerhalb der östlichen Grenze eine konzeptionelle Sonderrolle darstellen, die durch ein stringentes und uniformes Planungskonzept zum Ausdruck kommt. Die Ursache hierfür ist in einer mutmaßlich fehlenden Siedlungskontinuität aus der frühen Kaiserzeit und, damit zusammenhängend, möglicherweise mit einer gezielten Aufsiedlung im 3. Jahrhundert in Verbindung zu bringen, während der auch einheimische Gruppen zunehmend an Bedeutung gewannen. Besonders hervorzuheben ist für die zivil geprägte Phase der Stadt, dass diese die überwiegende Zeit größer war, als es von den naturräumlichen Voraussetzungen zu erwarten wäre. Dies war nur durch externe, geistliche oder weltliche Förderer möglich, unter denen Bischöfe, Pilger, Kaiser, Föderaten und der Kalif nachgewiesen werden können. Entsprechend entwickelte sich die Stadt nur so lange, wie auch eine Förderung von außen bestand. Territoriale Veränderungen, Verlagerungen von Machtzentren oder politischen Interessenssphären, ebenso wie veränderte infrastrukturelle Faktoren, etwa der Wegeanbindung, konnten sich im Gegenzug jedoch auch nachteilig auf die städtische Entwicklung auswirken, so dass der Platz während der Zeit seines Bestehens auch Phasen der Rezession erlebte. Die Ergebnisse werden in Band 11 der Resafa-Reihe publiziert. Neben diesen allgemeinen kulturgeschichtlichen Ergebnissen generierte die Berliner Forschergruppe ein chronologisches Modell der Stadtbaugeschichte und des Umlands von Resafa. Geophysikalische und klassische Surveys sowie Bauaufnahmen der an der Oberfläche sichtbaren Siedlungsstrukturen ermöglichten, die Entwicklung von Stadt und Umland in 14 abzugrenzenden Stadtbauphasen darzustellen. Die Ergebnisse werden in Resafa 8, 2 (im Druck) zusammen mit der kommentierten Bauphasenanalyse, der bisher untersuchten Großbauten vorgelegt. Weitere Beiträge der Berliner Arbeitsgruppe für Band 11 wurden zur Kirchen-/Bistumsgeschichte (Volker Menze), zur Relation von Bischöfen und Kirchenbau, zur innerstädtischen Wasserversorgung sowie zur frühislamischen Urbanistik erarbeitet.

 
 

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