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Die Ordnung der Farben. Farbensysteme und Farbreferenzsysteme im Europa des 18. Jahrhunderts

Fachliche Zuordnung Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2016 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 324096713
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Für das Wissen um Farbe und die zugehörigen Praktiken in Wissenschaft, Kunst und Handwerk stellte das 18. Jahrhundert einen Zeitraum mit besonders hoher Dynamik dar: Farbe war gleich zu Jahrhundertbeginn Gegenstand der physikalischen Optik geworden, und nur wenig später wurde der Dreifarbendruck erfunden, der mit drei Grundfarben vollfarbige Drucke herzustellen erlaubte, aber in offenem Widerspruch zur Newtonschen Siebenfarbentheorie stand. Ungefähr zeitgleich wurde mit dem sog. Berliner Blau ein künstlicher Farbstoff erstmals hergestellt, der in kürzester Zeit enorme wirtschaftliche Bedeutung erlangte, und im Lauf des Jahrhunderts vervielfachte sich das Handelsvolumen mit Farbstoffen in Europa und darüber hinaus. In der zweiten Jahrhunderthälfte schließlich wurde Farbe in völlig neuem Umfang ein wichtiges Kriterium in der Naturgeschichte. Trotz dieser Bedeutungszunahme in unterschiedlichsten Feldern ist allerdings das historische Verständnis dieser dynamischen Entwicklung noch eher punktuell und trotz mancher Ansätze immer noch disziplinär geprägt. Hier setzte das Forschungsprojekt an und nahm einen besonderen Fokus: Angesichts der massiven Expansion in unterschiedlichsten Bereich ist nicht verwunderlich, dass die Zahl der Versuche, Farben zu ordnen, zu benennen und zu systematisieren, rapide zunahm. Allerdings hatten wir bislang keinen Überblick über die Vielfalt der entstehenden Farbkarten und Farbsysteme. Das zentrale Ziel des Projektes bestand darin, diese Vielfalt zu erfassen, zu untersuchen und in ihren historischen Verbindungslinien und Kontexten verstehbar zu machen und damit einen weit gespannten Rahmen für alle weitere Forschung zu gewinnen. Die Herausforderung war eine doppelte: neben einer umfassenden Erhebung der in Europa vorgeschlagenen und genutzten Farbkarten und -systeme mussten, gerade in Ansehung dieser Vielfalt, Kriterien und Gesichtspunkte entwickelt werden, die eine den historischen Konstellationen angemessene Gruppierung der Vielzahl der Systeme und eine Verortung im kultur- und technikhistorischen Kontext der Zeit erlauben. In der Tat wurden im Projekt durch umfängliche Recherchen in wissenschaftlichen, praktischen und künstlerischen Kontexten erstmals eine Gesamtheit von nahezu 90 Farbkarten identifiziert. Dabei wurden Farbkarten und Farbsysteme entdeckt, die bislang der historischen Aufmerksamkeit vollständig entgangen waren. Zur historischen Einordnung dieser Vielfalt mussten die bislang existierenden Analysebegriffe, insbesondere die Unterscheidung zwischen Farbsystemen und Farbreferenzsystemen, weiterentwickelt werden: gerade die letztere Kategorie wurde durch die weiter gefasste und zugleich schärfere der Farbkarten ersetzt, was eine konsistente Identifikation von drei historischen Traditionen ermöglichte: Farbkarten, die auf bestimmte Farbmittel rekurrierten, solche, die sich Naturgegenstände als Ausgangspunkt nahmen, und solche, die auf der schon älteren Dreifarbenlehre gründeten und sie weiterentwickelten. Damit ist ein belastbarer Bezugsrahmen geschaffen, der für alle weiteren historischen Untersuchungen des Farbenwissens im 18. Jh. hilfreich sein wird. Neben einer bislang entstandenen Monographie wurden zahlreiche Einzelaspekte in gesonderten Aufsätzen und einem hochkarätigen Sammelband vertieft. Mit solchen Ergebnissen war das Projekt für das historische Verständnis der hohen Dynamik des Farbenwissens im 18. Jh. enorm ertragreich, sowohl in der Bereitstellung und Aufarbeitung umfänglichen neuen Materials als auch in der Weiterentwicklung des konzeptuellen Zugriffs. Die positive Resonanz in Kunst- und Wissenschaftsgeschichte ist dafür ein schöner Indikator, ebenso wie die ungewöhnlich breite Rezeption eines der entstanden Artikels weit über die Fachwissenschaft hinaus. Schließlich hat das Projekt deutlich gemacht, wie fruchtbar und notwendig für solche historische Untersuchungen das Zusammenbringen von Gesichtspunkten aus Naturforschung und Kunsttheorie mit solchen aus der künstlerischen und handwerklichen Praxis und aus Handel und Ökonomie ist.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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