Die Neuorientierung arabischer Post-Kommunisten im Nahen Osten nach 1989
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Laufe des Projekts wurde umfangreiches und einschlägiges Material (Artikel aus politischen Zeitschriften, Biographien, Literatur, Filme) beschafft und ausgewertet, das in den vergangenen 20 Jahren erschienen ist. Ein Augenmerk lag einerseits auf biographischem Material, anderseits auf Werken, in denen die Bedeutung des Marxismus, das Verhältnis zu Religion und Islam oder die Abgrenzung zu anderen Ideologien diskutiert wurden. Dadurch wurde es möglich, die Geschichte politischer Gruppierungen, die Ideengeschichte und individuelle Lebensläufe vorwiegend anhand von Selbstzeugnissen zu rekonstruieren. Des Weiteren wurden Diskussionen in Tageszeitungen und auf Webseiten beobachtet sowie ca. 50 Interviews mit (ehemaligen) Kommunisten geführt. Grundsätzlich werden damit drei Ziele verfolgt: die Einbettung der Geschichte der arabischen Marxisten in die globalen/regionalen Dynamiken; die ideengeschichtliche Aufarbeitung anhand von Kontroversen; die Aufschlüsselung von Akteurs-Perspektiven. Aufgrund der Analyse der Kontroversen in marxistischen Zeitschriften und Monographien wurde es möglich, die ideengeschichtlichen Transformationen in drei Phasen (Arabisierung/Kulturalisierung/Demokratisierung) einzuteilen. In jeder dieser Phasen bezogen sich konkurrierende marxistische Gruppen und Individuen positiv oder negativ auf einen zentralen Begriff, der in politischen und intellektuellen Debatten dominierte. Das Forschungsprojekt hat dazu geführt, die Transformation, Brüchigkeit und Flexibilität des Marxismus-Leninismus arabischer Ausprägung im politischen und sozialen Kontext besser zu verstehen. Dadurch wird auch die Grundsatzfrage nach dem Wesen von „Ideologie“ neu aufgeworfen. Ein Ideensystem ist nicht nur ein rationales Konstrukt, auch wenn es seine Anhänger gerne so sehen, sondern es bietet vor allem auf der emotionalen Ebene Gratifikationen, die sich vor allem in der Loyalität und Leidensfähigkeit seiner Anhänger widerspiegeln. Anhand des Zusammenspiels verschiedener (globaler, regionaler, nationaler, individueller) Faktoren werden Motivationen und Brüche in den politischen Biographien erhellt. Anhand qualitativer Interviews wurde eine Typologie der Akteure entwickelt, wodurch die wechselhaften politischen Lebensläufe, Konversionen und Kehrtwendungen abgebildet werden. Die ursprünglich im Projektantrag genannte Einbeziehung der kommunistischen Transformationen innerhalb Israels in die Untersuchung konnte mangels freier Kapazitäten und aus organisatorischen Gründen nicht geleistet werden.