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Der Islam im Deutschen Lesebuch. Eine Analyse der Islamdiskurse 1870-1918

Fachliche Zuordnung Allgemeine und Historische Erziehungswissenschaft
Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Förderung Förderung von 2017 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 351262725
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Hinsichtlich des methodischen Vorgehens und der Übertragbarkeit der Methoden von auch quantisierbaren Erschließungen umfangreicher bildungsgeschichtlicher Korpora können folgende Items Relevanz beanspruchen: Vordefinierte Suchzeichenfolgen: Die in Abstimmung mit zeitgenössischen Wörterbüchern definierten Suchzeichenfolgen lieferten brauchbare und vollständige Ergebnisse. Das Projekt sah eine Verifizierung der durch Suchbegriffe determinierten Ergebnisse mit solchen durch traditionelle Methoden (vollständige Lektüre, Inhaltsanalyse) gewonnenen vor, die belegte, dass beide Methoden zu vergleichbaren und gleichwertigen Eregebnissen führten. Qualitative Methoden: Germanistische Schulbuchanalyse sollte vom Theorem der doppelten Autorenschaft (AutorIn der Quelle und HerausgeberIn des Schulbuchs) ausgehen und diese Wechselbeziehung analytisch fruchtbar machen, indem vor allem die (teils umfangreichen) Bearbeitungen des Quellentextes durch die/den HerausgeberIn im Fokus der Analyse stehen. Narrative und Diskurse: Das Projekt lieferte auch durch Auszählungen von Texthäufigkeiten und -verteilungen in verschiedenen Perioden der Bildungsgeschichte des Kaiserreichs das Ergebnis, dass Diskurse und Narrative im Schulbuch eine dicht verflochtene Wechselbeziehung eingehen. Das Projekt konnte als ein Hauptergebnis ein klar identifizierbares Narrativ der historischen und legendenhaften Begegnung des Islam mit dem „Abendland“ beschreiben, das über die „Stationen“ Rolandslied, Kreuzzüge (Barbarossa), Türkenkriege und Orientreise Wilhelms II in die Gegenwart des Kaiserreichs geführt wird. Es ergab sich daraus und aus weiteren, „dichten“ Analysen eine Matrix der diskursiven Zuschreibungen, die Beschreibungen wie die des orientalischen, bellizistischen und fatalistischen Islam, des monströsen islamischen Kriegers oder des „falschen Propheten“ als äußerst stabil und omnipräsent kennzeichnet. Die Wende vom christlich zum national geprägten Lesebuch zeigt sich so am Beispiel der Islamdarstellung als ein durchgängiges Element in nahezu allen Schulformen, insbesondere in der Volksschule. Hier fehlen offensichtlich Bücher, die auch mit komplexen und abwägenden Texten wie im höheren Schulwesen den Islam in seinem Geltungsanspruch als Weltreligion respektieren. Die nationalstaatliche Politisierung im Hinblick auf die Islamdarstellung wird durchgängig in allen Büchern vor allem an der Gerichtetheit des islambezogenen Narrativs deutlich, das schließlich Wilhelm I. mit Barbarossa identifiziert und den SchülerInnen die Orientreise als Vollendung der Kreuzzüge präsentiert. Insofern die Analysen an kaum einer Stelle wesentliche Differenzen zwischen Schulformen, Konfessionsbindung oder Geschlechterbezug erkannten, scheint im Hinblick auf die Islamdarstellung (mit Ausnahmen in höheren Klassen des höheren Schulwesens angesichts teilweise auch abwägender Texte beispielsweise religionskomparatistischer oder orientwissenschaftlicher Provenienz) der Grundtenor recht einheitlich. Erstmals konnte die vorliegende Untersuchung also dokumentieren, wie sich im Vermittlungsmedium Lesebuch in einem klar umrissenen und für die nationale Vorstellungsbildung zentralen Zeitraum die Auseinandersetzung mit dem Islam abbildet. Es ist also von einer starken und möglicherweise über Generationen andauernden Prägung durch die hier ermittelten Islambilder auszugehen. Anschlussforschung könnte im Vergleich zu nachfolgenden Zeitabschnitten deutscher (Bildungs-)Geschichte die transgenerationelle Persistenz solcher Vorstellungen überprüfen. Nur auf diesem Wege kann eruiert werden, worin traditionsbedingte Probleme und Lösungen interkultureller und -religiöser Begegnungen liegen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Digital Humanities und Forschendes Lernen in Didaktik und Unterricht – am Beispiel historischer Lesebuchforschung. In: Der Deutschunterricht 6/2020, S. 77-87
    Dawidowski, Christian
  • Die Rolle der Weltanschauung in der Literaturvermittlung am Beispiel der Islamdarstellung im Lesebuch des Kaiserreichs. In: Leonie Funda / Judith Herzog / Ralph Köhnen / Björn Rothstein (Hgg.): Normativität. Systemische und praktische Ansätze für den Deutschunterricht, Weinheim 2021, S. 110-134
    Dawidowski, Christian
  • Das Wanderungs- und Migrationsnarrativ in Schulbüchern des Kaiserreichs. Eine vergleichende Studie zu den Fächern Deutsch, Geographie und Geschichte, in: MdDG 2/2022
    Dawidowski, Christian; Florian Eickmeyer, Miriam Kuckuck und Meik Zülsdorf-Kersting
  • Der Islam in deutschen Lesebüchern 1935–1964/65. Würzburg: Ergon 2022 (Dissertation, 313 S.)
    Junge, Manuel
 
 

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