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Strategische Stadtplanung - Ansätze zur Regenerierung schrumpfender Städte in Ostdeutschland

Antragsteller Dr. Manfred Kühn
Fachliche Zuordnung Städtebau/Stadtentwicklung, Raumplanung, Verkehrs- und Infrastrukturplanung, Landschaftsplanung
Förderung Förderung von 2007 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 35552129
 
Erstellungsjahr 2009

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Forschungsvorhaben hat strategische Planungsansätze zur Regenerierung von schrumpfenden Mittelstädten in Ostdeutschland untersucht, die durch Einwohner- und Beschäftigungsrückgänge gekennzeichnet sind. Dazu wurde ein normatives Modell konzipiert, dass Strategische Stadtplanung als revolvierendes Wechselspiel zwischen strategischen Leitbildern als langfristiger und gesamträumlicher Orientierungsrahmen der Stadtentwicklung und strategischen Projekten als kurzfristige und teilräumliche Schritte der Umsetzung definiert. Getragen wird das Wechselspiel durch Governance-Formen zwischen Politik und Verwaltung sowie Wirtschaft und Bürgern. Durch fünf empirische Fallstudien in ostdeutschen Mittelstädten konnten wir zeigen, dass sich in den Fallstädten unterschiedliche Ansätze Strategischer Stadtplanung feststellen lassen. Einige Städte sind durch eine starke Orientierung auf Projekte gekennzeichnet, ohne dass diese eine Integration in eine übergeordnete Strategie erfuhren. In anderen Städten fanden von privatwirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren initiierte öffentliche Leitbildprozesse statt, die zum Teil wesentliche Elemente der Strategischen Planung enthielten, jedoch keine Unterstützung durch die politischen Führung erfuhren. Schließlich entstehen in den letzten Jahren durch Fördermittelvorgaben besonders im Land Brandenburg „Integrierte Stadtentwicklungskonzepte“ (INSEK), welche dem strategischen Planungsmodell nahezu entsprechen. Die Fallstudien in den ostdeutschen Mittelstädten haben gezeigt, dass die Entwicklung strategischer Leitbilder einerseits auf eine starke politische Führung durch die Oberbürgermeister angewiesen ist, um Prioritäten setzen zu können und die Effizienz der Prozesse zu sichern. Andererseits beruht die Akzeptanz von Leitbildern auf einer Beteiligung privater Akteure aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Diese widersprüchlichen Anforderungen spiegeln sich in der Komplementarität von politischer Führung (leadership) und der Beteiligung gesellschaftlicher Akteure (participation). Damit steht Strategische Planung im Kontext des viel besprochenen Übergangs von Government zu Governance, wobei sich in den Städten aufgrund von unterschiedlichen historisch gewachsenen politischen Kulturen verschiedene Erscheinungs- und Übergangsformen von „Urban Governance“ herausgebildet haben. Strategische Planung ist auf Kooperationen und Verhandlungen zwischen einer Vielzahl von Akteuren und Institutionen angewiesen, um an Legitimität und Durchsetzungskraft zu gewinnen. Die empirische Varianz der jeweiligen Erscheinungsformen von Governance entscheidet so über die Möglichkeit und Qualität von Strategischer Planung mit. Strategische Projekte wurden von uns zunächst als Großprojekte mit Image-, Impuls- und Ausstrahlungswirkung für die Stadtentwicklung definiert. In unseren empirischen Studien konnten wir zeigen, dass sich in den Fallstädten unterschiedliche Verständnisse von strategischen Projekten feststellen lassen. Die vorgefundenen größeren Projekte lassen sich in klassische Infrastrukturprojekte, Großveranstaltungen/temporäre Events und städtebauliche Kulturprojekte unterscheiden. Vor allem einige städtebauliche Kulturprojekte wurden in den Mittelstädten mit den Hoffnungen auf „Bilbao-Effekte“ (nach dem Vorbild des Guggenheim-Museums) verbunden. Die empirischen Ergebnisse der Fallstudien zeigen, dass in den Städten strategische Leitbilder und Projekte meist nicht wechselseitig voneinander abgeleitet werden, sondern oft nebeneinander bestehen bzw. gleichzeitig und relativ unabhängig voneinander entwickelt werden. Nur für wenige Projekte konnte die Ableitung aus einem Leitbild aufgezeigt werden, häufiger war eine Integration bereits vorhandener bzw. unabhängig von der Leitbilddiskussion entstandener Projekte in strategische Konzepte vorzufinden. Schließlich fanden sich als strategisch zu bezeichnende Projekte, die unabhängig von Leitbilddiskussionen vorangetrieben wurden. Dazu gehören Projekte, deren Trägerschaft nicht in der Hand der Stadt liegt (z.B. Hochschulbauten). Darüber hinaus wurden Projekte entwickelt, ohne diese in einen Leitbildprozess einzubinden. Eventuell vorhandene ältere Leitbilder wurden nicht aktualisiert. Das normative Modell Strategischer Stadtplanung unterliegt der rationalistischen Prämisse, dass die Stadtentwicklung durch Allianzen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren, durch kooperative soziale Verständigungs- und Aushandlungsprozesse und rationale Entscheidungsprozesse qanzheitlich und gesamträumlich steuerbar ist. Als primär planungswissenschaftliches Modell wird der Strategiebegriff relativ eng definiert und auf ein intentionales Handeln der Akteure sowie eine konsistente Ziel-Mittel-Kopplung begrenzt. Diese steht im Kontrast zur Emergenz von Strategien in der Lokalpolitik, die nicht absichtsvoll und eher inkrementell entstehen. Planung und Politik unterliegen damit verschiedenen Handlungslogiken. Das Modell rückt zwar vom früheren technokratischen Glauben an „große Pläne“ ab, versteht Planung als sozialen und politischen Aushandlungs- bzw. Lernprozess und relativiert die Rolle politisch-administrativer Akteure gegenüber Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Dennoch ist in der Praxis der fünf untersuchten Mittelstädte eine vollständige Anwendung der Elemente und Instrumente des Modells kaum zu finden. Dies ist dadurch erklärbar, weil das Modell Strategischer Planung eine Einheit von Gegensätzen darstellt: Langfristige Leitbilder und kurzfristige Projekte, gesamträumliche Steuerung und teilräumliche Interventionen, öffentliche und private Akteure, hierarchische und netzwerkartige Steuerung. In den empirischen Fallstudien hat sich gezeigt, dass diese Gegensätze in der Kommunalpolitik der Mittelstädte schwer zu überbrücken sind und Leitbilder und Projekte aufgrund fehlender politischer Steuerungsanreize dazu tendieren, „zwei Welten“ zu bleiben. Die Projektergebnisse werden Anfang 2010 in Form einer Buchmonographie in einem planungswissenschaftlichen Fachverlag zusammenfassend publiziert. Über die bereits publizierten Beiträge in Fachzeitschriften hinaus wird ein Beitrag in einem Themenheft der Zeitschrift Planungsrundschau erarbeitet, der voraussichtlich im Frühjahr 2010 erscheint. Dadurch wird ein entscheidender Beitrag zur wissenschaftlichen Debatte über Konstrukte und Modelle der Strategischen Planung innerhalb der scientific community geleistet. Andererseits ermöglichen die Projektergebnisse für die Praxis der Stadtplanung Lernprozesse über die kommunalpolitischen Chancen und Restriktionen der Strategiebildung.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2006): Strategies for Urban Regeneration – The Transformation of cities in Northern England and Eastern Germany, in: Lentz, S. (ed.): German Annual of Spatial Research and Policy; Berlin Heidelberg New York; 123-138
    Kühn, Manfred; Liebmann, Heike
  • (2006): Strategische Planung, in: Oswalt, Philipp (Hrsg.): Schrumpfende Städte, Band 2: Handlungskonzepte, Ostfildern-Ruit, 331-335
    Kühn, Manfred
  • Visions or projects? Urban regeneration strategies in Cottbus and Görlitz, 43nd World Congress der ISOCARP - International Society of City and Regional Planners am 22.09.2007 in Antwerpen (Belgien)
    Kühn, Manfred
  • (2008): Strategische Stadt- und Regionalplanung, in: Raumforschung und Raumordnung 3/2008, Bonn, S. 230-243
    Kühn, Manfred
  • Shrinking Cities and Regeneration Strategies in Eastern Germany, European Network for Housing Research (ENHR) Conference “Shrinking Cities, Sprawling Suburbs, Changing Countrysides” am 08.07.2008 in Dublin (Irland)
    Kühn, Manfred
  • Stadtumbau als ganzheitliche Strategie – Hemmnisse und Ansätze. Regenerierungsansätze in Dessau und Stralsund, Tagung „Stadtumbau und lokale Politik“ am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung am 06.12.2008 in Leipzig
    Fischer, Susen
  • Strategic urban planning – approaches for the regeneration of cities in Eastern Germany, internationale Konferenz: “Socio-demographic change of European cities and its spatial consequences” am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung am 15.04.2008 in Leipzig
    Kühn, Manfred
  • (2009): Cottbus – Leitbild-Suche zwischen Energie-, Universitäts- und Parkstadt. In: Kühn, Manfred/Liebmann, Heike (Hrsg.) 2009: Regenerierung der Städte: Strategien der Politik und Planung im Schrumpfungskontext, Wiesbaden: VS Verlag
    Fischer, Susen/Kühn, Manfred
  • (2009): Görlitz – Kultur als Gegenstand eines strategischen Projektes der Regenerierung. In: Kühn, Manfred/Liebmann, Heike (Hrsg.) 2009: Regenerierung der Städte: Strategien der Politik und Planung im Schrumpfungskontext, Wiesbaden: VS Verlag
    Fröhlich, Roland/Liebmann, Heike
  • (2009): Stralsund – Die Entwicklung strategischer Leitbilder und Projekte im Spannungsfeld lokaler Governance. In: Kühn, Manfred/Liebmann, Heike (Hrsg.) 2009: Regenerierung der Städte: Strategien der Politik und Planung im Schrumpfungskontext, Wiesbaden: VS Verlag
    Fischer, Susen
  • (2009): Strategische Planung in schrumpfenden Städten. Management des Strukturwandels als Aufgabe, in: PNDonline III/2009
    Kühn, Manfred, Fischer, Susen
  • (2009): Strategische Planung – ein Ansatz zur Regenerierung schrumpfender Städte. In: Kühn, Manfred/Liebmann, Heike (Hrsg.) 2009: Regenerierung der Städte: Strategien der Politik und Planung im Schrumpfungskontext, Wiesbaden: VS Verlag
    Kühn, Manfred
  • (2009): Zwischen Schrumpfung und Regenerierung – Entwicklungstypen ostdeutscher Mittelstädte. In: Kühn, Manfred/Liebmann, Heike (Hrsg.) 2009: Regenerierung der Städte: Strategien der Politik und Planung im Schrumpfungskontext, Wiesbaden: VS Verlag
    Fröhlich, Roland/Liebmann, Heike
  • 2009: Regenerierung der Städte: Strategien der Politik und Planung im Schrumpfungskontext, Wiesbaden: VS Verlag
    Kühn, Manfred/Liebmann, Heike
  • Strategische Stadtplanung – zwischen Government und Governance, Fachsitzung 36 des Deutschen Geographentages 2009 am 21.9.2009 in Wien
    Kühn, Manfred
  • (2010): Strategische Stadtplanung. Strategiebildung in schrumpfenden Städten aus planungs- und politikwissenschaftlicher Perspektive, Rohn Verlag Dortmund
    Kühn, Manfred, Fischer, Susen, Roland Fröhlich
  • Strategic urban planning – a short report, in: Müller, Bernhard (Ed.): German Annual of Spatial Research and Policy 2010, Berlin Heidelberg
    Kühn, Manfred, Fischer, Susen
  • Strategische Stadtplanung – zwischen Government und Governance, in: Planungsrundschau, Themenheft: Strategische Planung, Hrsg.: Wiechmann, Thorsten, Hutter, Gérard
    Kühn, Manfred
 
 

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