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Suzdal und Mohovoe/Wiskiauten - Prospektion und Datenvergleich frühmittelalterlicher Siedlungskammern im Kaliningrader Gebiet und in Westrußland

Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2007 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 35797708
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Arbeitsgebiet Wiskiauten/Mohovoe im Kaliningrader Gebiet ist es durch die Methodenkombination von Geophysik, Bohrprospektion, C14-Datierungen und Ausgrabungen nicht nur gelungen, Siedlungsspuren aus der Zeit des Hügelgräberfeldes im 9. und 10. Jh. zu lokalisieren, sondern darüber hinaus konnte auch eine Vorläuferphase im 5. bis 8. Jh. sowie eine nachfolgende Siedlungsperiode des 11. bis 13. Jh. nachgewiesen werden. Erstmals ist eine Siedlungskammer in der Region derart intensiv untersucht worden. Die Zahl der Siedlungsspuren ist dabei insgesamt erstaunlich hoch, wobei sich aber kein echtes Zentrum lokalisieren lässt. Vielmehr erweckt die großräumige Verteilung der nachgewiesenen Befunde den Eindruck von weiträumig verteilten, kleineren Einzelgehöften. Für die Siedlungen des 5. bis 8. Jh., die an zwei Stellen des ausgedehnten Areals identifiziert wurden und die mit Bestattungen im Wäldchen Kunterstrauch bzw. mit dem ebenfalls geophysikalisch untersuchten Gräberfeld von Fhedrichshof in Verbindung gebracht werden können, ist eine Zuweisung zur einheimischen prussischen Kultur wahrscheinlich. Die Siedlungen des 9. und 10. Jh. entstehen in räumlicher Nähe zu den vorangehenden. Zeitlich lassen sich mit ihnen derzeit nur die skandinavischen Hügelgräber im Wäldchen Kaup verbinden. Einheimische Gräber dieser Zeit fehlen. Dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass zwangsläufig skandinavische Personen in den aufgedeckten Siedlungskomplexen lebten. Zu einer solchen Aussage führt das Fundmaterial nicht. Allerdings sind im Bereich der Siedlung im Osten mit dem Dirhem, dem skandinavischen Schwertknauf, dem Gürtelbeschlag und der Bronzeperle als Aufsatz einer gotländischen Ringtrense gleich mehrere Kleinfunde überliefert, die zumindest einen ständigen Kontakt der Skandinavier mit dieser Siedlung nahelegen, was auch durch zusätzliche naturwissenschaftliche Untersuchungen wie der Analyse des Tierknochenmaterials und der Makrorestanalyse sichtbar wird. Im Suzdaler Arbeitsgebiet zeitigte die gewählte Methodik weniger Überraschungen und bestätigte grundsätzlich das aufgrund archäologischer Untersuchungen gewonnene Bild. Allerdings sind nun wesentlich feinere Untergliederungen sowohl in chronologischer als auch in räumlicher und struktureller Hinsicht möglich. Das Projekt hat somit in beiden Arbeitsgebieten wesentlich zur Bestätigung bisheriger Theorien sowie zur Gewinnung neuer Daten und deren Interpretation beigetragen. Zusätzlich ist die Methodenkombination als Forschungswerkzeug etabliert und nun mit seinen Potentialen auf andere Siedlungsplätze übertragbar. Insgesamt war vor allem die unterschiedliche Anwendbarkeit der Geophysik als Prospektionsmethode in beiden Arbeitsgebieten überraschend, was einerseits direkt mit den Bodenverhältnissen und der späteren Nutzung zusammenhängt, andererseits in der Archäologie selbst begründet liegt. In Suzdal überraschte die frühe Zeitstellung einiger bislang als Gründungen des 11. Jh. verstandener Siedlungen. Besonders unerwartet war im Kaliningrader Gebiet am Fundplatz Wiskiauten die Größe der mit Siedlungsspuren übersäten Fläche und die Dichte bzw. unmittelbare Nähe von Befunden unterschiedlicher Zeitstellung. Vor allem in Bezug auf das erste nachchristliche Jahrtausend aber war die Auffindung von Siedlungsspuren des 5. bis 8. Jh. als Vorläuferphase sowie des 11. bis 13. Jh. als nachfolgender Siedlungshorizont in der bislang in der Forschung als rein skandinavische Ansiedlung verstandenen Siedlungskammer, was zu einem neuen Interpretationsmodell führt. Demnach handelte es sich bei der Ansiedlung von Wiskiauten nicht um eine zentrale Siedlung, sondern um mehrere kleine Ansiedlungen, die in direktem Kontakt miteinander standen und weiträumig in der Umgebung des Gräberfeldes verteilt lagen, dabei aber kein echtes Siedlungszentrum bildeten. Ein 45-minütiger Filmbeitrag in der ZDF-Reihe „Schliemanns Erben" im Jahr 2008 mit Einschaltquoten von 5 Millionen Zuschauern, mehrere russische Fernsehberichte, vier deutsche Radiobeiträge bei NDR und WDR, zahlreiche nationale und internationale Zeitungsbeiträge und wissenschaftliche Publikationen, insgesamt etwa 70 öffentliche Vorträge auf Fachtagungen und vor allem auch bei eingetragenen Vereinen und Gesellschaften und nicht zuletzt die dreisprachige Projekthomepage (www.wiskiauten.eu) haben der von der DFG ausdrücklich gewünschten Öffentlichkeitsarbeit Rechnung getragen und gleichzeitig das Engagement und die Förderungsphilosophie der DFG gewürdigt und nach außen repräsentiert. Auch nach Projektende gewährleistet das ZBSA den Erhalt der umfassenden Webseite mit ihren hohen Aufrufquoten, um der gewünschten Öffentlichkeitsarbeit im Sinne der DFG-Philosophie Rechnung zu tragen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Die Suche geht weiter - das Ratsei der wikingerzeitlichen Siedlung von Wiskiauten. Starigard:Jahresbericht des Fördervereins des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität Kiel, Vol.8. 2007, pp.81-87.
    T. Ibsen
  • Die Wikinger im Bernsteinland. Forschung, Vol. 33. 2008, Issue 1, pp. 16–20.
    T. Ibsen
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1002/fors.200890002)
  • Einem Mythos auf der Spur. Siedlungsarchäologische Forschungen in Wiskiauten/Mohovoe (Russland). Archäologische Nachrichten aus Schlesvi^ig-Holstein 14, 2008, 66-68.
    T. Ibsen
  • Formation of the agrarian landscape of the Suzdal Opolie region in medieval time in the light of archaeological data and pollen evidence. Rossijskaja archeologija, Vol. 2008, Nr. 1, pp. 35-47.
    Aleshinskaja A.S., Kochanova M.D., Makarov N.A., Spiridonova E. A.
  • Localization of building structures and production areas at the dwelling sites Ves' 5 and Shekshovo 2 by means of geophysics and archaeology. Archeologija Vladimiro-Suzdalskoj zemli. Materialy nauchnogo seminara = Archaeology of Vladimir-Suzdal land. Contributions of Research seminar Vol. 2. 2008, pp. 23-35, Moscow
    Fedorina A.N., Krasnikova A.M., Mesnyankina S.V.
  • Small dwelling sites in the vicinities of Suzdal (In the light ofthe excavations at Vishenki 3 and Kistysh 3 sites). Trudy Vtorogo Vseross. acheologicheskogo s'ezda. Contributions of the 11 (XVIIl) congress of the archaeologists of Russia in Suzdal 2008. v. II, 2008, p. 347-349).
    Krasnikova A. M., Fedorina A. N.
  • Vikings in the land of Amber. German Research, Vol. 30. 2008, Issue 3, pp. 16–20.
    T. Ibsen
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1002/germ.200990001)
  • Von Einem der auszog, die Siedlung zu finden. Archäologische Spurensuche in Wiskiauten/Mohovoe im ehemaligen Ostpreußen. Gottorfer Jahrbuch 2007-2008 (2009), S. 136-137.
    T. Ibsen, J. Frenzel
  • „Etwa hier die Siedlung" - Der wikingerzeitliche Fundplatz von Wiskiauten/Mohovoe im Kaliningrader Gebiet im Lichte alter Dokumente und neuer Forschungen. Dissertation, Philosophische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität Kiel, 2009, 412, 96 S.
    T. Ibsen
  • „Wiskiauten/Mohovoe im Kaliningrader Gebiet", DFG-Projekt, Jahrbuch der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf, Neue Folge, Band 11. 2007-2008 (2009), pp. 185-186.
    T. Ibsen, J. Frenzel
  • Annäherung an einen Mythos - auf der Spur der Siedlung von Wiskiauten. In: A. Bitner-Wröblewska, U. Lund-Hansen (Hrsg.). Worlds apart? Contacts across the Baltic Sea in the Iron Age. Kopenhagen/Warschau, 2010, pp. 527-546.
    T. Ibsen
  • In search of the early medieval settlement of Wiskiauten/Mohovoe in the Kaliningrad Region. Lietuvos Archeologija, Vol. 36. 2010, pp. 47–58.
    T. Ibsen, J. Frenzel
  • On Prussians and Vikings - New Excavation results from Wiskiauten/Mohovoe. In: N.A. Makarov, A.V. Mastykova, A.N. Khokhlov (Hrsg.), Archaeology of the Baltic. Moscow/St. Petersburg, 2013, ISBN 978-5-905988-03-5, pp. 241-249.
    T. Ibsen
  • Suzdal und Mohovoe/Wiskiauten - Prospektion und Datenvergleich zu frühmittelalterlichen Siedlungskammern im Kaliningrader Gebiet und in Westrussland. In: C. v. Carnap-Bornheim, B. Eriksen (Hrsg.), Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie - Jahresbericht 2012. Schleswig 2013, S. 45.
    T. Ibsen
  • Wiskiauten: a trading site on the southern coast of the Baltic? In: G. Williams, P. Prentz, M. Wemhoff (Hrsg.), Viking [Katalog Ausstellung Kopenhagen/London/Berlin 2012-2013] Kopenhagen 2013, pp. 72-73.
    T. Ibsen
 
 

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