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Islamistische Radikalisierung im Justizvollzug - Radikalisierungspotentiale und -prozesse
Antragsteller
Professor Mark Stemmler, Ph.D.
Fachliche Zuordnung
Kriminologie
Förderung
Förderung von 2017 bis 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 367171077
Das Projekt widmet sich vor dem Hintergrund einer weltweiten Zunahme extremistisch motivierter Gewalttaten den Fragen, in welchem Ausmaß für Radikalisierung empfängliche Einstellungsmuster und andere relevante Merkmale (insb. religiöse Sozialisation und religiöses Wissen) bei jungen muslimischen Inhaftierten bestehen und wie sich bei bereits radikalisierten Inhaftierten im Haftverlauf derartige Orientierungen weiter entwickeln. Bislang fehlt es an kriminologischem Forschungswissen, auf dessen Grundlage die Bildung radikalisierter Einstellungs- und Handlungsmuster während des Haftverlaufs identifiziert und deren Verfestigung nachhaltig entgegengewirkt werden kann. Weder existieren wissenschaftliche Befunde über zugrundeliegende Mechanismen und Wirkfaktoren, noch liegen belastbare Informationen zu Ausmaß und Intensität des Gefährdungspotenzials im Strafvollzug vor. Ziel des Projekts ist daher die quantitative und qualitative Erfassung der Ausprägung von Merkmalen, die im Rahmen des Modells von Kruglanski (2014) als wichtige Einflussfaktoren von Radikalisierung angenommen werden: biografische Merkmale, Aspekte der Persönlichkeit, ideologische Faktoren (islamistisch bzw. salafistisch geprägte Einstellungen) und religiöses Wissen sowie von außen kommende Einflüsse. Erhebungsinstrumente zur Erfassung dieser Merkmale wurden bereits entwickelt und erprobt. - Im Rahmen der ersten Teilstudie soll bei einer Stichprobe von jungen muslimischen Inhaftierten (N = 150) im Rahmen einer schriftlichen Erhebung zu zwei Zeitpunkten die Ausprägung dieser Merkmale erhoben werden. Es geht darum, die Beziehung dieser Variablen untereinander und, durch den Vergleich verschiedener Erhebungssituationen und -zeitpunkte, ihre Abhängigkeit von Haftbedingungen und -verläufen zu eruieren. - In einer zweiten Teilstudie werden Personen, die im Strafvollzug (in Bayern und anderen Bundesländern) bereits als islamistische Gefährder oder auf dem Weg der Radikalisierung befindlich eingeschätzt werden, zusätzlich zur schriftlichen Befragung wiederholt interviewt (N = 40), mit dem Ziel, die individuellen Verlaufsmuster der Radikalisierung herauszuarbeiten. Dies wird ergänzt durch die Auswertung von Informationen aus den justiziellen Akten und einer systematischen Beobachtung des Verhaltens im Vollzug durch das dortige Personal. Aus der qualitativen Analyse der individuellen Verläufe sollen in der Zusammenschau Erkenntnisse abgeleitet werden, ob und in welcher Weise sich einzelne Verlaufsmuster unterscheiden lassen, in denen möglicherweise unterschiedliche Faktoren bestimmend sind. Die aus diesen beiden Teilstudien gewonnenen Befunde über Ausmaß und Zusammenspiel relevanter Risikofaktoren sollen dann Impulse für eine zielgerichtete, effektive Präventionsarbeit im Kontext des Strafvollzugs liefern. Zugleich wird versucht, ein diagnostisches Instrument zu entwickeln, welches das individuelle Ausmaß an Radikalisierung und das von der Person ausgehende Gefährdungspotential abbildet.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Kooperationspartner
Dr. Johann Endres