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"Geometria Deutsch". Druckwerke der praktischen Geometrie bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts
Antragstellerin
Professorin Dr. Christina Lechtermann
Fachliche Zuordnung
Germanistische Mediävistik (Ältere deutsche Literatur)
Förderung
Förderung von 2017 bis 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 381793985
Druckwerke der praktischen Geometrie inszenieren sich in einem Netz von verschiedenen Praktiken und reflektieren sich als Text-Bild-Verbünde, die erst im Zusammenspiel mit anderen Objekten (z.B. Lineal und Zirkel, Messrute und Jakobstab) Bedeutung konstituieren. Immer wieder setzen sie auf eine Lektüre, die Text, Diagramm, geometrisches Instrument und praktische Übung miteinander vermittelt, bzw. sie behaupten die Notwendigkeit einer solchen Rezeptionsweise als Voraussetzung des Verstehens. Von der Kunstwissenschaft oder der Wissens- und Mediengeschichte sind diese Texte zwar gelegentlich als Quellen genutzt worden, doch die Druckwerke selbst, ihre Faktur, ihre Vertextungsmuster oder ihre genuine Rhetorizität gerieten bisher kaum in den Blick. Wo dies punktuell dennoch geschah, wurde dabei die von den Texten behauptete didaktische Intention a priori als primäres Ziel der Text- und Buchgestaltung gesetzt. Eine nähere Analyse jedoch zeigt eine heterogene Befundlage: Die von den Druckwerken behauptete Praktikabilität wird von den Lehrschriften in sehr unterschiedlichem Maße eingelöst, Überexplizierung und unverständliche Verkürzung im geometrischen "Zitat", darstellerische Ökonomie und scheinbar überflüssiger Zusatz etwa stehen immer wieder nebeneinander. Der Kanon vorgestellter Verfahren und die Formen ihrer Präsentation adressieren zwar eine handwerkliche Praxis, aber ebenso folgen sie einer textuellen Traditionsbildung. Einige der Schriften scheinen dabei besonders auf Bedürfnisse der höfischen Repräsentation zu antworten, andere weisen in das Umfeld städtischer, humanistischer Kommunikationssituationen, wieder andere scheinen eine Offizin und ihre Möglichkeiten besonders zu empfehlen oder attribuieren bestimmte Wissensbestände einem Verfasser oder Widmungsempfänger. Kurz gesagt: Es ist zu vermuten, dass die jeweilige Faktur der Schriften, ihre multiple Adressierung, die verschiedenen Arten an Traditionen anzuknüpfen und eigene auszubilden sowie ihre unterschiedlichen Bemühungen Wissen und Können zu transkribieren auf eine Polyfunktionalität dieser Druckwerke verweisen, die mit Stichworten wie "Lehrschrift", "Fachliteratur" o.Ä. zu einem guten Teil ausgeblendet wird. Besonders solche Momente, die auf eine spezifische und ostentativ inszenierte Ästhetik fachthematischer Druckschriften verweisen, sind damit nivelliert.Für das Projekt leitend wird die Arbeitshypothese sein, dass sich für die deutschen Geometrieschriften eine handlungsanweisende didaktische Funktion und eine für vielfältige Kommunikationsinteressen anschlussfähige "geometrische" Literarizität und Ästhetik immer neu verschränken. In einer vergleichenden Analyse der volkssprachigen Druckwerke der konstruktiven Geometrie und der abmessenden Geometrie soll beiden Aspekten nachgegangen werden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen