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Veränderungen der Belegungsstrukturen hallstattzeitlicher Nekropolen als Ausdruck gesellschaftlichen Wandels in der frühen Eisenzeit am Beispiel des Gräberfeldes von Rottenburg a.N., Kr. Tübingen, "Lindele".

Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2007 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 38232238
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die untersuchte Belegungsfläche von Rottenburg a. N., Kreis Tübingen, „Im Lindele“ stellt sich als Rest einer ursprünglich mehr als doppelt so umfangreichen Nekropole dar. Der überlieferte Teil entstand, indem sich eine ältere, größere und nicht erhaltene Belegungsfläche ausdehnte, so dass die untersuchte Belegungsfläche nur einen sekundären, jüngeren Gräberfeldausschnitt darstellt. Es liegen hinreichend Argumente dafür vor, dass das Gräberfeld „Im Lindele“ einen von zwei ausgedehnten Bestattungsplätzen zu einer größeren, geplant angelegten Zentralsiedlung neben dem späteren römischen, bzw. mittelalterlichen Rottenburg bildete. Die räumliche Gliederung des Gräberfeldes beruht auf verschiedenen, voneinander abgegrenzten Bestattungsarealen, die sich als über mehrere Generationen hinweg genutzte Grabstätten von Familienverbänden (jeweils 2-3 Familien) erwiesen. Indizien für stabile Hierarchien innerhalb der Familienverbände erlauben sie als familiae zu deuten und die aufeinander folgenden männlichen Vorstände jeweils herausragender Familien als patres familias. Bemerkenswerterweise konnte damit die im Prinzip gleiche soziale Grundgliederung hergeleitet werden, wie sie u.a. aus den Siedlungsstrukturen der Heuneburg an der oberen Donau erschlossen wurden: dort allerdings Familienverbände bzw. familiae (Anwesen) aus je ca. 10 Einzelfamilien (Haushalten) (S. Kurz). Die geschlossenen familiären Strukturen der Bestattungsareale im Gräberfeld von Rottenburg „Im Lindele“ veränderten sich im Verlaufe der Belegung dahingehend, dass die männlichen Familienvorstände, allen voran die patres familias, nicht mehr in den Grabstätten beigesetzt wurden, sondern mutmaßlich auf einem gemeinsamen rangorientierten Männerfriedhof weiter oben am Hang. Gleichzeitig verwandelten sich ihre angestammten großen mehrphasigen Individualgrabhügel zu gemeinschaftlichen Grabmonumenten für ihre Frauen (zentrale Körpergräber), ihre frühverstorbenen Nachkommen und ggf. nachrangige, erwachsene Familienmitglieder (dezentrale Körpernachbestattungen). Diese sozialen Gruppen hatten vormals eigene kleine Grabmonumente erhalten (kleine Grabhügel, Brandgrubengräber, eingetiefte oder ebenerdige Körperbestattungen zwischen den Hügeln). Die Veränderungen der Bestattungssitten erfolgten, ebenso wie die vorangegangene Belegungsausbreitung mit Ha C-Gräbern auf die vorliegende Fläche, durch einen allmählichen, richtungsbestimmten Ausbreitungsprozess hangabwärts (NW-SO). Die drei Ha D-Formengruppen erschienen in gleicher Weise nacheinander im erhaltenen Gräberfeld, d.h. erstmals oben am Hang in den nordwestlichen, dann sukzessive in den weiter südöstlich, hangabwärts gelegenen Bestattungsarealen. Gleichzeitig ließ sich die jeweils innovativste Formengruppe tendenziell zuerst als Kennzeichen der hochrangigen Männer fassen, erst anschließend bei ihren Frauen und zuletzt bei den übrigen, nachrangigen sozialen Gruppierungen. Damit kann bei den Ha-Formengruppen jener langsame Ablösungs- bzw. Verdrängungsprozess detailliert nachvollzogen werden, der aufgrund der Innovationsforschung vorauszusetzen ist, der jedoch den herrschenden Paradigmen in der Vorgeschichtsforschung völlig entgegen steht.

 
 

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