Ein Training kognitiver Kontrolle emotionaler Inhalte im Arbeitsgedächtnis: Effekte auf die Häufigkeit und Auswirkungen von Grübeln bei depressiven Patienten
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Wenn Menschen sich nicht von wiederkehrenden negativen Gedanken über sich selbst und ihre Probleme lösen können, nennt man das Grübeln. Grübeln sagt das Auftreten von Depressionen vorher und hängt direkt mit negativem Erleben zusammen. Die Forschung legt nahe, dass Schwierigkeiten, sich von Grübelgedanken zu lösen, mit einer Beeinträchtigung der Kontrolle des Arbeitsgedächtnisses zusammenhängen. Genauer gesagt gelingt es „Grüblern“ scheinbar nicht, negative emotionale Inhalte wieder aus dem Arbeitsgedächtnis zu entfernen. Ein wachsendes Forschungsfeld setzt sich daher mit der Frage auseinander, ob sich derartige kognitive Kontrollmechanismen trainieren und damit Grübelgedanken reduzieren lassen. Tatsächlich zeigten sich nach ersten Studien mit computerisierten kognitiven Kontrolltrainings vielversprechende Effekte auf Grübeln und depressive Symptomatik. Weitere Studien führten jedoch zu einer gemischten Befundlage. Das aktuelle Forschungsprojekt knüpft anhand eines verbesserten Studiendesigns an die Suche nach einem effektiven Training an. Die aktuelle randomisiert-kontrollierte Studie untersuchte die Wirksamkeit eines zweiwöchigen online-basierten Kognitiven Kotrolltrainings im Vergleich zu einem Placebotraining an 65 klinisch depressiven Menschen ohne aktuelle psychotherapeutische Behandlung. Anhand einer adaptiven N-back-Aufgabe wurde dabei spezifisch das Entfernen emotionalen Materials aus dem Arbeitsgedächtnis trainiert. Wir erfassten die Effekte des Trainings auf die Häufigkeit und die Negativität von Grübelgedanken zeitnah per Experience Sampling Methode achtmal täglich über eine Woche jeweils vor und nach dem Training sowie 3 Monate später. Zu diesen Zeitpunkten ebenfalls erfasst wurden depressive Symptome und Beeinträchtigungen in Aktivität und Teilhabe. Mögliche Verbesserung in kognitiven Kontrollmechanismen erhoben wir sowohl durch eine trainingsähnliche Aufgabe als auch durch eine trainingsunähnliche Aufgabe (far transfer). Die Daten wurden mit bayesianischen hierarchischen Mehrebenenanalysen ausgewertet. Die Ergebnisse zeigten keine trainingsspezifische Wirksamkeit des kognitiven Kontrolltrainings gegenüber dem Placebotraining auf die Häufigkeit oder Negativität von Grübelgedanken im Alltag. Es zeigte sich zudem kein trainingsspezifischer Effekt auf depressive Symptome oder Beeinträchtigungen. Zwar verbesserte sich die Trainingsgruppe im Vergleich zur Placebogruppe klar in der trainingsähnlichen Aufgabe. Allerdings übertrug sich dieser Effekt nicht auf die trainingsunähnliche Aufgabe. Die aktuelle Studie konnte trotz Verwendung eines hochwertigen methodischen Untersuchungsdesigns und aktueller statistischer Auswertungsmethoden keinen Beleg für die Wirksamkeit des verwendeten kognitiven Kontrolltrainings auf Grübeln oder Depression finden. Die Befunde reihen sich in zahlreiche Studien der letzten Jahre mit Nullbefunden ein. Zukünftige metaanalytische Zusammenfassungen der bisherigen Befunde könnten die Spezifikationen der Wirksamkeit kognitiver Kontrolltrainings auf Grübeln oder aber deren Grenzen aufzeigen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2022). Kann ein Training kognitiver Kontrolle depressives Grübeln verringern? Ergebnisse aus einem klinischen RCT. Deutscher Psychotherapie Kongress, Berlin
Neumann, P., Bürkner, P.-C., Hoorelbeke, K., Koster, E., Renneberg, B., Zetsche, U.