Die Beantwortung kausaler Fragen über Einzelfälle
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die meisten psychologischen Theorien zu kausaler Kognition zielen auf die Frage ab, wie Menschen allgemeine kausale Zusammenhänge (wie z.B. „Rauchen verursacht Lungenkrebs“) lernen und für Vorhersagen, Diagnosen oder Kategorisierung verwenden. In unserem Projekt ging es hingegen um die bisher weniger stark untersuchte Frage, wie Menschen ihr Wissen über allgemeine Kausalzusammenhänge nutzen, um zu Kausalaussagen über Einzelfälle zu kommen ("singular causation judgments"). So kann man beispielsweise fragen, ob Peters Rauchen die Ursache seines Lungenkrebses ist, oder ob es sich dabei trotz des Vorliegens eines starken generellen Zusammenhangs trotzdem nur um eine Koinzidenz handelt. Kausalurteile über Einzelfälle sind im Alltag allgegenwärtig. Sie sind aber auch für eine Reihe professioneller Disziplinen wie der Medizin oder dem Recht relevant. Ärzt:innen stellen sich z.B. die Frage, ob ein bestimmtes Symptom, das bei einer Patient:in aufgetreten ist, tatsächlich von einer vorliegenden Krankheit verursacht worden ist oder ob eine andere Ursache dafür verantwortlich ist. Entsprechend wichtig erscheint es, diesen Urteilsprozess theoretisch zu erklären und zu modellieren. In unserem Projekt wurde, basierend auf vorangegangener Forschung, ein neues formales Modell singulärer Kausalurteile entwickelt und empirisch untersucht. Über verschiedene Forschungsarbeiten hinweg konnte gezeigt werden, wie Wissen über die Kausalstärke potentieller Ursachen eines Zieleffekts mit Wissen über die zeitliche Relation relevanter kausaler Variablen und mit Wissen über kausale Mechanismen integriert werde muss, um abzuschätzen zu können, ob zwei einzelne Ereignisse kausal verknüpft sind. In einer großen Zahl von Experimenten konnten wir zeigen, dass unser neu entwickeltes Modell, welches Informationen über diese verschiedenen Komponenten nutzt und zu einem Urteil integriert, menschliche Kausalurteile über Einzelfälle besser vorhersagt als konkurrierende Modelle. Außerdem konnten wir eine formale Antwort auf die Frage liefern, warum Wissen über den Status von kausalen Mechanismusvariablen eine wichtige Rolle zur Bestimmung von Kausalität in Einzelfällen spielt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2018). Preemption in singular causation judgments: A computational model. Topics in Cognitive Science, 10, 242–257
Stephan, S., & Waldmann, M. R.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1111/tops.12309) - (2020). Time and singular causation - a computational model. Cognitive Science, 44, e12871
Stephan, S., Mayrhofer, R., & Waldmann, M. R.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1111/cogs.12871) - (2021). A counterfactual simulation model of causation by omission. Cognition, 216, 104842
Gerstenberg, T., & Stephan, S.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.cognition.2021.104842) - (2021). Interpolating causal mechanisms: The paradox of knowing more. Journal of Experimental Psychology: General, 150(8), 1500-1527
Stephan, S., Tentori, K., Pighin, S., & Waldmann, M. R.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1037/xge0001016) - (2022). The role of mechanism knowledge in singular causation judgments. Cognition, 218, 104924
Stephan, S., & Waldmann, M. R.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.cognition.2021.104924)