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Personale Gruppen und Kategorien zwischen Konstruktion und Dekonstruktion

Fachliche Zuordnung Grundlagen des Rechts und der Rechtswissenschaft
Öffentliches Recht
Soziologische Theorie
Förderung Förderung von 2017 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 387054976
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Vorhaben stellt einen Teilbereich meines Habilitationsprojekts mit dem Titel „Personale Gruppen und Kategorien im Recht" dar. Ausgehend davon, dass das Recht nicht aller Individualität einer Person Ausdruck verleihen kann, sondern auf Zuordnungen angewiesen ist, werden personale Gruppen und Kategorien untersucht. Kategorien sehen sich wegen ihrer Reduktion des Einzelnen auf das jeweilige Merkmal zunehmendem Rechtfertigungsdruck bis hin zu Dekonstruktionsbestrebungen ausgesetzt (insb. bzgl. des Geschlechts). Neben diese Forderungen nach Anerkennung des Einzelnen als individuelle Persönlichkeit treten solche nach der Berücksichtigung kollektiver Identität: Gruppen wird eine besondere Bedeutung für die Identität des Einzelnen zugesprochen und Forderungen nach einer Anerkennung gruppenbezogener Differenz, der Herstellung materieller Gleichheit und Bewahrung gruppenbezogener Andersartigkeit werden erhoben. Sowohl die zunehmende Abkehr von der Stabilität und Objektivität von Kategorien als auch die Einbindung gruppenbezogener Kriterien stellen die liberale Rechtsordnung vor Herausforderungen. Der Forschungsaufenthalt diente der Analyse des Themenbereichs der Konstruktion und Dekonstruktion personaler Gruppen und Kategorien unter besonderer Auseinandersetzung mit soziologischen Erkenntnissen in diesem Bereich. In einem ersten Schritt wurde eine soziologische Bestimmung der Begriffe Gruppe und Kategorie vorgenommen. Erkenntnisgewinne vermag diese Auseinandersetzung insbesondere deshalb zu liefern, da das Recht in einem Wechselbezug zur Wirklichkeit und anderen wissenschaftlichen Disziplinen steht. Die konträren Perspektiven auf Kategorien einerseits und Gruppen andererseits, die meine bisherige Analyse ergeben hat, lassen sich in den Definitionen bzw. den unterschiedlichen Blickwinkeln aus denen diese vorgenommen werden, erklären. Gruppen und Kategorien stellen Formen der Erfassung und Ordnung der Wirklichkeit dar. Kategorisierungen erfolgen aus einer zuordnenden Perspektive von außen, wohingegen Gruppen das Vorliegen eines Zusammengehörigkeitsgefühls (groupness) der Mitglieder verlangen. Da dieses nicht konstant, sondern fluid ist, sollen Gruppen prozesshaft wahrgenommen werden. In einem zweiten Schritt habe ich mich mit den Vorbehalten gegenüber Gruppierungen und Kategorisierungen befasst. Diese erhellen sich teilweise bereits aus den zuvor vorgenommenen Begriffsbestimmungen: Die durch Kategorisierungen vorgenommene Fremdzuordnung wird als Beeinflussung der Identität des Einzelnen, seiner Fremd- und Selbstwahrnehmung angesehen. Ein weiterer erörterter Vorbehalt stellt derjenige der Konstruktion dar. Das Recht ist jedoch seinem Wesen nach eine Konstruktion: Rechtliche Konstruktionen sind nicht bloß zulässig, sie sind vielmehr notwendig, damit das Recht seine ordnende Aufgabe erfüllen kann. Dabei ist die Rechtsordnung weder an die „Wirklichkeit" noch an Erkenntnisse anderer Disziplinen (wie der Soziologie) gebunden; diese vermögen seine Geltung nicht in Frage zu stellen. Bei einer zu starken Abweichung des Rechts von diesen, büßt es jedoch seine Wirksamkeit ein. Das Recht darf kategorisieren, gebunden ist es dabei im Hinblick auf personale Kategorien insbesondere an die Grundrechte. In einem weiteren Schritt habe ich nach den Veränderungsprozessen von Kategorien gefragt und erörtert, welche rechtlichen Kategorien in Anbetracht zunehmender Wahl-, Wechsel- und Selbstbestimmungsmöglichkeiten noch existieren. Dabei habe ich mich maßgebend mit den Kategorien des Geschlechts und der Staatsangehörigkeit befasst, da diese beiden Kategorien nicht (allein) zum Zwecke der Antidiskriminierung und zum Schutz des Individuums verwendet werden, sondern auch die materielle Rechtsstellung des Einzelnen bestimmen. Gruppenbezogene Rechte gewährt die deutsche Rechtsordnung hingegen grds. nicht, sondern verwendet lediglich gruppenbezogene Regelungstechniken. Hier wird noch weiter zu erörtern sein, ob und inwieweit die Rechtsordnung für die stärkere Berücksichtigung von Gruppenrechten offen ist. Schließlich wendet sich das Vorhaben Möglichkeiten des postkategorialen Denkens zu. Hierbei wird einerseits spezifisch der Verzicht auf die rechtliche Kategorie des Geschlechts (postgender) erörtert. Zum anderen analysiert das Vorhaben Möglichkeiten des Verzichts auf Gruppenbezüge, gerade auch unter Auseinandersetzung mit kommunitaristischen und multikulturalistischen Ansätzen, die Gruppenbezüge wieder stärker in den Vordergrund stellen. Dass gruppenbezogene Rechte einer liberalen Rechtsordnung grds. fremd sind, wird abschließend am Gegenbeispiel des American Indian Law verdeutlicht.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Der Universitätscampus als „Safe Space": Verlangt die Rechtsordnung die Gewährleistung einer Wohlfühlatmosphäre?, in: Juristenzeitung 2018, S. 480-489
    Judith Froese
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1628/jz-2018-0108)
  • Tertium datur: Der Abschied von der Binarität der Geschlechterordnung - Zugleich eine Anmerkung zu BVerfG, Beschluss v. 10.10.2017, 1 BvR 2019/16, in: Die Öffentliche Verwaltung 2018, S. 315-322
    Judith Froese
 
 

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