Katholikinnen, Protestantinnen und Jüdinnen zwischen Neuer Frauenbewegung, gesellschaftlichem Wandel und religiöser Bindung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Als wichtigster Erkenntnisfortschritt ist zu nennen, dass die konfessionellen Frauen tatsächlich im Hinblick auf die NFB mit dieser nicht in allen Phasen konform gehen und im Hinblick auf ihre politische und ökumenische Arbeit sogar als Vorreiterinnen anzusehen sind. Offensichtlich - und bei Katholikinnen noch stärker als bei Protestantinnen - bedingt die kirchliche Bindung einen anderen Fokus auf die NFB als dies bei säkularen Frauen der Fall ist. So folgt bei den protestantischen Frauen auf die Politisierung nicht sofort eine direkte Hinwendung zum Feminismus; er wird später in Form von feministischer Literatur und den Frauenaufbrüchen in der Kirche virulent und führt schließlich sowohl zur Etablierung von Frauenreferaten wie zu liturgischen und sprachlichen Veränderungen in den evangelischen Landeskirchen. Die stärkste Diskrepanz zwischen Protestantinnen und Katholikinnen zeigt sich in der Ämterfrage: Mit der Einführung der Frauenordination in den 60er Jahren scheint in der protestantischen Kirche die formale Gleichstellung erreicht zu sein. Als Gemeinsamkeit von Katholikinnen und Protestantinnen ist die deutliche - wenn auch im protestantischen Raum etwas weniger ausgeprägte - Distanz zum Engagement gegen den § 218 zu sehen. Gemeinsam ist beiden Gruppen auch das frühe globale („weltkirchliche") Denken, mit dem sie der NFB vorausgehen. Die Auseinandersetzungen um Gleichstellung im Raum der Kirche erleben viele Frauen als Einzelkämpferinnen, allerdings mit dem in Frauengruppen und Frauenverbänden erworbenen Engagement und auch mit Rückhalt aus diesen Gruppierungen. Die Innenseite(n) der konfessionellen Frauenbewegung(en) und ihre mentalen Prägungen werden vor allem durch die biographischen Interviews sichtbar. Der besondere Forschungsertrag aus diesem nach wie vor innovativem und in der Kirchengeschichte selten gewählten Zugang der Oral History liegt darin, dass lebensweltliehe Erfahrungen aufscheinen, die durch herkömmliche Quellen nicht erschlossen werden können. Dazu sind auf evangelischer Seite die Momente dezidierter Exklusion zu rechnen, wie sie die protestantischen Frauen am Beginn und während ihrer eigenen feministischen Wege erfahren und die zu einer Solidarisierung unter den Frauen führen sowie auch Fremdheitsgefühle gegenüber der eigenen Kirche aufkommen lassen. Ähnliche Erfahrungen von Exklusion und Fremdheit machen Katholikinnen in abgeschwächter Form in Hinblick auf ihre Kirchenbindung, in Reinform aber in der Artikulation der Resignation gegenüber einer Hierarchie, die nach wie vor die Weihe für Frauen ablehnt. Die Kirchenbindung an sich bleibt jedoch erhalten. Schließlich ist als zwar kaum spektakuläres, aber auf der individuellen Ebene bislang wenig verifiziertes Ergebnis die viel stärkere Distanz der protestantischen Frauen zu ihren jeweiligen Landeskirchen und den kirchlichen Institutionen, in denen sie arbeiten, zu nennen. Hier ist bei den Katholikinnen eine ungebrochenere Loyalität spürbar. Als letzter bedeutsamer Forschungsertrag sei genannt, dass Rezeptionsstränge feministischer Theologie sichtbar werden, die evangelische und katholische Frauen verbinden. Auf dieser Ebene hat sich die konfessionelle Frauenbewegung weitgehend ökumenisch verstanden. An diesen Befund wäre im Hinblick auf die weitere Erforschung feministischer Theologie und ihrer historischen Entwicklung unbedingt anzuknüpfen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Jüdische Frauen, Organisationen und Bewegungen in Deuschland nach 1945, in: Udo Twomschka (Hg.), Handbuch der Religionen, 2010.
Esther Jonas-Martin
- Protestantische Verspätung? Die Geschichte von Frauenaufbrüchen in der
Evangelischen Kirche, Schlangenbrut, Jg. 28. 2010, Nr. 109/110, pp. 48-49.
Cordula Lissner
- „A Pious Delay? Catholic, Protestant and Jewish Women in Germany: Between Second-wave-Feminism and religious committment", XVI Intemational Oral History Conference, 7.-11. Juli 2010, Prag.
Cordula Lissner
- „Es kommt was Neues, es kommt was Lebendiges". Katholikinnen und das
Zweite Vatikanum. Schlangenbrut, Jg. 28. 2010, Nr. 108, pp.39-40.
Regina Heyder
- „Jüdischsein" und die Neue (feministische) Frauenbewegung. Jüdischer Frauenbund bis Bet Debora. Schlangenbrut, Jg. 28. 2010, Nr. 111,
pp. 41-42.
Esther Jonas-Martin
- Religion als Motor oder Hemmschuh einer Feminisierung der Gesellschaft?, in: Die Zukunft der Kirche ist weiblich. Zur Ambivalenz der Feminisiemng von Gesellschaft, Kirche und Theologie im 20. Jahrhundert. Evangelische Akademie Thüringen, Neudietendorf, 24.-25.2.2011 - epd-Dokumentation 25/26 vom 21.6. 2011, pp. 24-33.
Regina Heyder
- Berichte von Zeitzeuginnen zum Zweiten Vatikanischen Konzil -
Einführung, in: Margit Eckholt/Saskia Wendel (Hg.), Aggiornamento heute. Diversität als Horizont einer Theologie der Welt, Ostfildern, Grünewald, 2012, pp. 51-71.
Regina Heyder
- Deutsche Katholikinnen und das Konzil, in: Margit Eckholt/Saskia
Wendel (Hg.), Aggiornamento heute. Diversität als Horizont einer Theologie der Welt, Ostfildern, Grünewald, 2012, pp.42-50.
Regina Heyder