Memoria Apostolorum. Apostolische Gestalten in der christlichen Erinnerungskultur des 1.-3. Jahrhunderts
Alte Geschichte
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Frühe Christen erinnerten sich nicht nur an Jesus. Auch die ersten Anhängerinnen und Anhänger Jesu waren Gegenstand des Erinnerns. Sie gehörten zu der gemeinsamen Vergangenheit, auf die christliche Gruppen der Antike sich bezogen, um ihrem Wir-Gefühl Gestalt zu geben. Im Projekt „Memoria Apostolorum“ wird dieser Vergangenheitsbezug mit dem Instrumentarium der kulturwissenschaftlichen Erinnerungsforschung betrachtet, wobei „Apostel“ oder „apostolische Gestalten“ nicht nur Mitglieder des Zwölferkreises bezeichnet, sondern diejenigen Christinnen und Christen der ersten Generation, die Anhänger Jesu, Verkünder des christlichen Glaubens und Träger von Theologie in Erinnerung geblieben sind. Das schließt Paulus ein, aber auch z.B. Maria Magdalena und Jakobus, den Bruder Jesu. Die erste Projektphase (2017-2020) war denjenigen Aposteln gewidmet, die im Zeitraum um 200 n. Chr. schon Protagonisten von Apokryphen Apostelakten waren: Petrus, Paulus, Johannes, Thomas, Andreas. Diese „Big Five“ waren auch außerhalb der Aktenliteratur für frühe Christen erinnerungswürdig als Zeugen der Begegnung mit Jesus, als Schüler Jesu, als Missionare, als Wundertäter und nicht zuletzt als Märtyrer (Johannes ist ein Sonderfall). Im Verlauf der Arbeiten zeigte sich zum einen die Vielfalt der Erinnerungsbilder von einzelnen Aposteln: Es gibt nicht z.B. den einen Petrus, sondern verschiedene Petrus-Gestalten, die in verschiedenen Bereichen des frühen Christentums für verschiedene Belange relevant waren. Zum anderen zeigten sich aber gerade im Blick auf die Todes- bzw. Martyriumsdarstellungen auffällige Konvergenzen: Die Gewaltdarstellung ist stark zurückgenommen zugunsten der Darstellung eines „edlen Todes“; so bilden die Apostelmartyrien eine eigene Klasse neben anderen Märtyrererzählungen. Im Ergebnis hat sich gezeigt, dass es ein fruchtbarer Ansatz ist, die (erzählenden und anderen) frühchristlichen Texte, die von Aposteln handeln, nicht nur als historische Quellen für die jeweiligen Apostel auszuwerten (oder als „legendarisch“ abzuwerten), sondern sie als Dokumente für bestimmte Formen des Vergangenheitsbezugs zu würdigen. Entscheidend ist nicht, was der Apostel wirklich war, sondern was er (oder sie) für die Selbstdefinition einer bestimmten Form des Christentums bedeutet. Auf dieser Linie gilt es weiterzuarbeiten.