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Alltagsweltbild und Naiver Realismus

Fachliche Zuordnung Theoretische Philosophie
Förderung Förderung von 2017 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 389518284
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Alltag gehen wir davon aus, dass es gewöhnliche Objekte wie Personen, Tische und Steine gibt, die bestimmte Eigenschaften wie z. B. Farbe und Form besitzen und in vielfältigen kausalen Beziehungen zueinander stehen. Auch gehen wir davon aus, dass es diese Alltagsgegenstände unabhängig von uns gibt, dass sie uns unmittelbar in der visuellen Erfahrung zugänglich sind und dass wir auf der Grundlage unserer visuellen Erfahrung Überzeugungen über sie rechtfertigen können. Grundlegende Annahmen wie diese bilden den Kern der Menge von (expliziten und impliziten) Überzeugungen, die wir im Folgenden als „Alltagsweltbild“ bezeichnen möchten. Das erste Teilprojekt beschäftigt sich mit dem Verhältnis des so verstandenen Alltagsweltbildes (oder auch: des manifesten Weltbildes) und des wissenschaftlichen Weltbildes. Das wissenschaftliche Weltbild besteht in dem Kern der Menge von (expliziten und impliziten) Überzeugungen über die Welt, wie er sich in der Wissenschaft findet. Das wissenschaftliche Weltbild ist, so die Argumentation im ersten Teilprojekt, unvereinbar mit unserem Alltagsweltbild. Die geistunabhängige Welt, die Welt also, wie sie an sich ist, kann nicht sowohl dem Alltagsweltbild als auch dem wissenschaftlichen Weltbild entsprechen. Wenn sie dem wissenschaftlichen Weltbild entspricht, dann beschreibt das Alltagsweltbild lediglich eine phänomenale Welt. Wenn die Welt an sich aber dem Alltagsweltbild entspricht, dann hat das wissenschaftliche Weltbild lediglich eine instrumentelle Funktion. In diesem Sinne gibt es einen Zusammenprall der Weltbilder – einen clash of the images. Dieses Ergebnis ist von großer Relevanz für die gegenwärtige Metaphysik und Ontologie. Gegenwärtig ist nämlich die Idee einer Kompatibilität von Alltagsweltbild und wissenschaftlichem Weltbild die vorherrschende Position – und nicht etwa die Inkompatibilität, wie sie im ersten Teilprojekt vertreten wird. Im zweiten Teilprojekt wird eine Theorie der Wahrnehmung entwickelt, die unserem Alltagsweltbild entspricht. Dabei wird die Position des erfahrungstheoretischen Naiven Realismus im Detail untersucht und kritisiert, denn dieser bildet die derzeitig wohl am prominentesten diskutierte Konzeption von Wahrnehmung, die den Anspruch besitzt, unsere alltägliche Idee von Wahrnehmung einzufangen. Genauer wird sowohl in Bezug auf die Art wie wir über Wahrnehmung sprechen als auch in Bezug auf die Phänomenologie der Wahrnehmung dafür argumentiert, dass der Naive Realismus diesem Anspruch nicht gerecht wird. Alternativ wird eine bestimmte Form des Repräsentationalismus verteidigt, die sich im Einklang mit unserer alltäglichen Art über Wahrnehmung zu sprechen befindet als auch grundlegende Aspekte der Phänomenologie unserer Wahrnehmung besser erklären kann als der Naive Realismus. Im Besonderen wird auch gezeigt, dass Naive Realisten die phänomenologische Tatsache nicht erfassen können, dass – selbst auf der grundlegendsten Ebene der Wahrnehmung – die Welt und ihre materiellen Objekte uns in der Wahrnehmung als objektiv oder als geistunabhängig erscheinen. Dieses Explanandum wird ‚phänomenale Objektivität‘ genannt. Um phänomenale Objektivität zu erklären, so wird argumentiert, muss man davon ausgehen, dass Wahrnehmungserfahrungen eine bestimmte Art von repräsentationalem Gehalt haben. Vor diesem Hintergrund gilt letztlich: Nur eine bestimmte Form einer repräsentationalistischen Theorie der Wahrnehmung kann unsere alltägliche Idee von Wahrnehmung erfassen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2017): „Analytic Kantianism: Sellars and McDowell on Sensory Consciousness.“ In: ConTextos Kantianos 6: 18-4
    Haag, Johannes
    (Siehe online unter https://doi.org/10.5281/zenodo.1092766)
  • (2019): „Denken und Welt: Wege kritischer Metaphysik.“ Deutsche Zeitschrift für Philosophie 67: 76-97
    Haag, Johannes & Hoeppner, Till
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/dzph-2019-0006)
  • (2019): „Schwerpunkt: Kritische Metaphysik.“ In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 67: 74–75
    Haag, Johannes & Hoeppner, Till
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/dzph-2019-0005)
  • (2019): „Transcendental Principles and Perceptual Warrant: A Case Study in Analytic Kantianism.“ In: Brandt, S. & Breunig, A. (Hrsg.): Wilfrid Sellars and TwentiethCentury Philosophy. New York: Routledge. 130-150
    Haag, Johannes
    (Siehe online unter https://doi.org/10.4324/9781351202756-8)
  • (2022): The Clash of the Images. Why the Manifest Image and the Scientific Image Are Incompatible. Berlin: Schwabe Verlag. 212 Seiten
    Mulamustafić, Adem
    (Siehe online unter https://doi.org/10.31267/978-3-7574-0066-8)
 
 

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